ÖGP-Kongress 2022

Was schützt vor Allergie und Asthma?

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1. Dez. 2022
Schöner Hund und eine kleine Katze sitzen auf einem weichen weißen Kissen. Ein Kätzchen und ein Welpe zusammen zu Hause. Gemütliches Wohnkonzept
TatyanaGl/GettyImages

Eine neue S3-Leitlinie beschäftigt sich mit der Prävention von Allergie und Asthma bei Kindern. Zu diesem Thema gibt es wenig Überraschungen, aber immer konsistenter werdende Evidenz unter anderem zu den Effekten von Kaiserschnitt und Stillen.

Der aktuelle Wissensstand zum Thema Allergieprävention wurde in einer soeben publizierten S3-Leitlinie zusammengefasst.1 Das Dokument kann kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden und spannt einen Bogen von der Ernährung über den Umgang mit Haustieren bis zu psychosozialen Faktoren. Ziel der Prävention sei es, dafür zu sorgen, dass das Pendel statt in Richtung Allergie wieder verstärkt in Richtung Toleranz ausschlage, so Priv.-Doz. Dr. Fritz Horak vom Allergiezentrum Wien-West. Die kann einerseits über Reduktion von Risikofaktoren und andererseits über die Stärkung protektiver Faktoren erreicht werden.

Empfehlungen hinsichtlich Stillen

Hinsichtlich des Stillens beruht die Empfehlung der Leitlinie auf relativ dünner Evidenz, da es, so Horak, praktisch nicht möglich sei, randomisierte und kontrollierte Studien zu dieser Frage durchzuführen. Allerdings zeige die GINI-Studie bei ehemals gestillten Kindern bis zum Alter von 15 Jahren ein reduziertes Risiko, ein atopisches Ekzem zu entwickeln.2 Empfohlen wird daher das ausschließliche Stillen für vier bis sechs Monate, sofern möglich, sowie die Fortsetzung des Stillens nach der Beikost-Einführung. Der Einsatz von kuhmilchbasierter künstlicher Säuglingsnahrung sollte in den ersten Lebenstagen vermieden werden, wenn die Mutter später stillen möchte. Für die Mutter wird eine ausgewogene Ernährung ohne diätische Restriktionen gefordert. Ist Stillen nicht möglich, so bestehen aus allergologischer Sicht keine Empfehlungen für bestimmte Ersatzprodukte auf Basis von Tiermilch. Explizit abgeraten wird von Soja- oder anderen pflanzlichen Produkten.

Beikost: Bloß keine diätischen Restriktionen!

Die Beikost-Einführung orientiert sich an der individuellen Bereitschaft des Säuglings und sollte eine breite Vielfalt an Nahrungsmitteln umfassen (inkl. Fisch, Milchprodukten und vollständig durcherhitztem Hühnerei). Es werden keine diätischen Restriktionen, sondern maximale Vielfalt empfohlen. Fischkonsum hat sich in Studien als protektiv erwiesen. Übergewicht soll auch aus Gründen der Allergieprävention vermieden werden. Für Prä- oder Probiotika besteht weder in der Schwangerschaft noch in der frühen Kindheit Empfehlung. Ebenso konnte für kein Vitamin ein allergiepräventiver Effekt gezeigt werden. Hinsichtlich langkettiger Omega-3-Fettsäuren ist die Studienlage zu heterogen für eine Empfehlung.

Haustiere

Mehrere Studien zeigen für den Kontakt zu Hunden in den ersten drei Lebensjahren einen protektiven Effekt, der vermutlich auf eine Beeinflussung des kindlichen Mikrobioms zurückzuführen ist. Für die Haltung von Katzen sind die Daten widersprüchlich. Daher wird in der Leitlinie auch bei hohem individuellem Risiko nicht von der Haltung eines Hundes abgeraten. Die Anschaffung einer Katze wird hingegen nicht empfohlen, wenn Kinder mit erhöhter Allergieneigung oder bereits bestehendem atopischem Ekzem im Haus leben. Für die Haltung anderer Haustiere gibt es mangels Evidenz keine Empfehlungen.

Milben

Für eine Milbensanierung des Haushalts konnte keine Wirksamkeit in der Primärprävention gezeigt werden. Dementsprechend wurde auch keine Empfehlung ausgesprochen. Horak unterstreicht jedoch, dass dies nicht für die Tertiärprävention gelte, wo sich die Milbensanierung als Maßnahme im Sinne der Allergenkarenz gut bewährt.

Neu ist in der aktuellen Version der Leitlinie ein Kapitel zur spezifischen Immuntherapie, mit der eine Verhinderung von IgE-Neusensibilisierungen erreicht werden kann. Auch eine Prävention des „Etagenwechsels“ von der Rhinitis zum Asthma dürfte möglich sein. Die Leitlinie gibt auf Basis der doch noch dünnen Evidenz zu dieser Frage keine Empfehlung, sondern nur ein Statement, das besagt, dass die Spezifische Immuntherapie (SIT) zur Primär- und Sekundärprävention noch nicht empfohlen werden könne. Sehr wohl besteht aber eine Empfehlung zur Asthma-Prävention bei bestehender allergischer Rhinitis.

Biodiversität reduziert das Asthma-Risiko

Dass die Prävalenz von Asthma und Atopie auf Bauernhöfen geringer ist, weiß man seit mehr als zehn Jahren. Allerdings dürfte Urlaub auf dem Bauernhof nicht genügen, so Horak. Vielmehr dürfte es bereits auf die Exposition während der Schwangerschaft sowie „den Kontakt zum Stall“ im ersten Lebensjahr ankommen. Dazu passen auch immer konklusiver werdende Daten, die nach Entbindung durch Kaiserschnitt ein erhöhtes Asthma-Risiko zeigen. Impfen erhöht das Allergierisiko nicht, sondern scheint sogar einen günstigen Einfluss zu haben. Hingegen führt eine Antibiotika-Behandlung sowohl der Mutter in der Schwangerschaft als auch des Kindes in den ersten beiden Lebensjahren zu einer geringen Erhöhung des Asthma-Risikos. Horak weist auch auf zwei kleinere Studien hin, die gezeigt haben, dass das frühe Eincremen von Risikokindern das Auftreten von atopischen Ekzemen deutlich reduziert.3,4 Allerdings konnte dieses Ergebnis in einer Folgestudie nicht reproduziert werden5, weshalb auch keine diesbezügliche Empfehlung gegeben werden kann. Zum Einfluss von Kinderbetreuungseinrichtungen sind die Daten widersprüchlich und es gibt dazu folglich auch keine Empfehlungen. Sollten die Kinder eine sehr trockene Haut haben, ist das Eincremen selbstverständlich zu empfehlen, so Horak.

Schadstoffexposition erhöht das Risiko, wobei Kinder mit genetischem Risiko besonders betroffen sind. Dies gilt für Tabakrauch, während für andere Innenraum-Schadstoffe die Daten fehlen bzw. zu Feuchtigkeit und Schimmel widersprüchlich sind. Verkehrsbedingte Schadstoffe (Feinstaub, NOx) erhöhen das Risiko, eine allergische Rhinitis oder ein Asthma zu entwickeln. Empfohlen wird, die Exposition möglichst gering zu halten. Zum Besuch in Schwimmbädern gibt es zu wenig Daten für eine Empfehlung.

Hinsichtlich psychosozialer Faktoren konnten Zusammenhänge von pränatalem mütterlichem Stress sowie postpartaler mütterlicher Depression mit erhöhtem Rhinitis- und Asthma-Risiko des Kindes nachgewiesen werden. Mütterliche Sensibilität und soziale Unterstützung reduzieren hingegen das Risiko. Die Leitlinie hält allerdings fest, dass sich aus diesen Erkenntnissen keine konkreten Handlungsanweisungen ableiten lassen.

Sitzung „Leitliniensymposium Asthma/Allergie“, 46. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie und der Österreichischen Gesellschaft für Thoraxchirurgie, Salzburg, 30.9.22