Was kann man dagegen tun?

Heuschnupfen bei Kindern

Heuschnupfen beginnt meist schon im Kindes- bis jungen ­Erwachsenenalter und kann sehr belastend sein. Warum leiden heute so viele Kinder an Heuschnupfen, und was kann man ­dagegen tun? – Ein Interview mit Dr. med. Claude Luder, ­Oberarzt der Allergiestation am UniversitätsSpital Zürich.

27. Apr. 2023
Kleiner Junge in Natur niest in ein Taschentuch
Kontrec/GettyImages

Herr Dr. Luder, in welchem Alter macht sich bei Kindern Heuschupfen bemerkbar?
Dr. med. Claude Luder: Heuschnupfen ist eine Allergie gegen Blütenpollen. Während seiner Entwicklung muss das Immunsystem des Kindes lernen, zwischen «harmlos» und «gefährlich» zu unterscheiden. Bei einem Teil der Kinder lernt das Immunsystem, Pollen als gefährlich zu interpretieren und bei Pollenkontakt entsprechende körperliche Abwehrreaktionen auszulösen.

Es dauert ein paar Jahre, bis sich das Immun­system des Kindes auf Pollen sensibilisiert hat, so dass die typischen Beschwerden meist erst ab einem Alter von ca. 5 Jahren auftreten. Etwa 5 % der Kinder im Alter von 5 Jahren sind von Heuschnupfen betroffen, an­schliessend steigt der Anteil kon­tinuierlich bis auf etwa 15 % im jungen Erwachsenenalter.

Portraitfoto Dr. Claude Luder
zVg

Dr. med. Claude Luder
Oberarzt der Allergiestation am UniversitätsSpital Zürich

Warum, denken Sie, kommt Heuschnupfen bei Kindern und Jugendlichen so häufig vor?
Es besteht sicher ein Zusammenhang mit der Pollenbelastung in der Luft und dem Ausmass der Beschwerden. Weitere Faktoren sind die Luftverschmutzung und der Klimawandel. Kinder, die in einem industrialisierten Umfeld mit hoher Abgasexposition aufwachsen, entwickeln häufiger Allergien wie Heuschnupfen und später allenfalls Asthma.

Schadstoffe wie Stickstoffdioxid und Ozon greifen den Pollen an, verändern ihn und erhöhen dadurch sein Allergisierungspotenzial. Gleichzeitig beeinträchtigen Schadstoffe die Lungenschleimhaut und machen sie anfälliger für Entzündungen. Dazu kommt die Klimaerwärmung, die dazu führt, dass bereits früher im Jahr und insgesamt mehr Pollen freigesetzt wird. Die Kombination dieser Faktoren erklärt, warum Heuschnupfen häufiger geworden ist.

Es ist eine Zunahme von Heuschnupfen und Asthma in allen Altersgruppen beobachtet worden. Dabei konnte Dr. med. Markus Gassner, ein Schweizer Allergologe, beobachten, dass Kinder aus Bauernfamilien deutlich weniger an Heuschnupfen und anderen Allergien leiden als Stadtkinder. Auf seinen Erkenntnissen basiert die «Hygienehypothese», bei der davon ausgegangen wird, dass eine erhöhte Exposition gegenüber Bakterien, Pilzen oder Würmern eine Schutzwirkung gegenüber Allergien zu haben scheint.

Gibt es bei Heuschnupfen Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen?
Säuglinge zeigen vielleicht untypische Symptome wie Husten oder grosse Müdigkeit. Bei älteren Kindern treten dann typische Symptome wie ein ausgeprägter Fliessschnupfen auf. Wenn ein Kind Nasenprobleme bzw. Atembeschwerden hat, könnten statt einem Heuschnupfen auch vergrösserte Rachenmandeln, eine Nasennebenhöhlenentzündung oder Nasenpolypen (gutartige Wucherungen der Nasenschleimhaut) dahinterstecken.

Manchmal sind es aber auch einfach virale Infekte und nicht der Pollen, der zu Beschwerden führt, vor allem in der kalten Jahreszeit. Bei Erwachsenen hingegen können altersbedingte Veränderungen der Nasenschleimhaut oder der Blutgefässe ähnliche Beschwerden auslösen. Kinder und Erwachsene unterscheiden sich also vor allem in den möglichen anderen Ursachen für heuschnupfenähnliche Beschwerden.

Wie kann Heuschnupfen bei Kindern behandelt werden?
Bei Kindern gibt man typischerweise ein nicht müde machendes Antihistaminikum als Tropfen, Tabletten oder auch Schmelztabletten zum Einnehmen. Antihistaminika reduzieren die Freisetzung von Histamin, einem Botenstoff, der die Heuschnupfen-Symptome auslöst. Antihistaminika können auch in Form von Augen- und Nasensprays eingesetzt werden.

Nebst antihistaminhaltigen Augentropfen existieren auch Augentropfen mit Cromoglicinsäure, die die Mastzellen stabilisiert und auf diesem Weg dazu führt, dass weniger Histamin ausgeschüttet wird.

Ebenfalls zur Standardtherapie gehören Kortisonnasensprays. Kortisonnasensprays sind hocheffizient. Sie lindern nicht nur die Heuschnupfensymptome in der Nase, sondern auch die Augenbeschwerden, so dass oft keine zusätzlichen Augentropfen nötig sind.

Manche Eltern haben vielleicht Angst vor dem Kortison und sind Kortisonnasensprays gegenüber eher zurückhaltend…
Ich verstehe die Bedenken. Aber Nebenwirkungen sind bei Kortisonnasensprays wirlich erst bei langfristiger, kontinuierlicher Anwendung zu befürchten. Dann könnte es zu Wachsstumsverzögerungen oder theoretisch auch zu einem erhöhten Risiko zur Entstehung einer Linsentrübung, dem sogenannten Grauen Star kommen, in der Praxis ist das aber sehr selten.

Wenn Kinder jedoch mehrmals pro Jahr eine Therapie mit einem Kortisonnasenspray benötigen, sollten sie sicher von einem Spezialisten begleitet werden. Können die Symptome mit einer ein- bis maximal viermonatigen Anwendung pro Jahr gut kontrolliert werden, besteht keine Gefahr.

Was muss bei der Therapie von Heuschnupfen ausserdem noch berücksichtigt werden?
Ein wichtiger Bestandteilt der Behandlung ist, dem Pollen möglichst aus dem Weg zu gehen. Dazu gehören die klassischen Massnahmen wie Zeiten und Orte mit hohem Pollenflug möglichst zu vermeiden, die Nase regelmässig mit Salzwasser zu spülen, die Kleidung nicht im Schlafzimmer aufzubewahren und abends vor dem Zubettgehen zu duschen und den Pollen aus den Haaren zu waschen.

Was bedeutet der Begriff «Etagenwechsel»? Und wie kann er verhindert werden?
Mit Etagenwechsel meint man, dass der Heuschnupfen von der Nase und den Augen sozusagen nach unten in die Lunge wandert und ein Asthma entsteht. Das ist bei etwa 3 von 10 Heuschnupfen-Patienten früher oder später der Fall und ein kräftiges Argument dafür, bei entsprechenden Risikokonstellationen wie Asthma in der Familie, Begleiterkrankungen oder bei ausgeprägten Symptomen eine Immuntherapie ins Auge zu fassen. Es konnte bewiesen werden, dass die Immuntherapie ein Fortschreiten zum Asthma verhindern kann.

Für welche Heuschnupfen-geplagte Kinder käme eine solche Immuntherapie in Frage und gegen welche ­Allergene stehen Immuntherapien zur Verfügung?
Wenn ein Kind starke Symptome aufweist und kontinuierlich Medikamente benötigt, sollte eine Immuntherapie in Betracht gezogen werden. Bei der Immuntherapie wird das Immunsystem des Kindes langsam an den Allergieauslöser, also z. B. den Pollen, gewöhnt. In der Schweiz sind die meisten Präparate ab einem Alter von 5–6 Jahren zugelassen.

Vor einer Immuntherapie müssen zunächst die Allergene genau bestimmt werden. Wir schauen uns zum Beispiel immer die Haupt- und Nebenallergene an, um sicherzustellen, dass das Kind auch wirklich auf die Hauptallergene der Immuntherapie sensibilisiert ist, weil dann die Erfolgsaussichten besser sind.

Die Immuntherapie wirkt sehr gut bei einer Allergie gegen Gräserpollen, aber auch bei Birkenpollen und anderen Frühblühern. Auch die Immuntherapie bei Milbenallergie ist gut wirksam und verträglich. Bei der Katzen- und Hunde­allergie ist es im Moment schwieriger. Wir haben entweder keine Präparate zur Verfügung oder sie sind wenig verträglich.

Die Immuntherapie bietet sich also vor allem bei einer Pollenallergie gegen Gräser und Frühblüher an. Heute existieren meist auch Alternativen zu den Spritzen, die zum Beispiel unter die Zunge gelegt werden oder als Tropfen verabreicht werden können und so für Kinder natürlich viel angenehmer sind.