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Alternative Nikotinprodukte – Eine Übersicht

Immer mehr Raucher greifen zu alternativen Nikotinprodukten. Entweder als Ersatz zur Zigarette oder um zumindest teilweise vom Glimmstängel wegzukommen. Sind E-Zigaretten, Snus und Co. nur Modetrends oder steckt mehr hinter diesen Produkten? Dieser Frage gehen wir in einer Übersicht über die unüberschaubare Produktvielfalt auf den Grund.

6. Feb. 2024
Nahaufnahme der unteren Gesichtshälfte eines Mannes, der eine E-Zigarette raucht.
Міша Мула/stock.adobe.com

Seit über 20 Jahren geht der Konsum von Zigaretten in der Schweiz zurück. (1) Dennoch, im Jahr 2022 rauchten 22,1 % der Schweizer Bevölkerung und 12,7 % hiervon täglich. (1) Damit gehört die Schweiz zu den ­europäischen Ländern mit der höchsten Rauchprävalenz. (2) Während die Zahl der Raucher zurückgeht, nimmt der Gebrauch von alternativen Nikotinprodukten seit 2018 zu. (1) Hinter dem Begriff alternative Nikotinprodukte steckt eine schier endlose Vielzahl an Fabrikaten, welche die Applikation des Suchtstoffs Nikotin auf verschiedenen Wegen ermöglichen.

Wie und woraus das Nikotin freigesetzt wird, entscheidet oftmals über die zugleich abgegebene Menge anderer Schadstoffe. Der Rauch aus der Verbrennung von Tabak enthält neben Nikotin auch toxische Schadstoffe, die sogenannten HPHCs (harmful and potentially harmful constituentes). Die HPHCs sind für einen Grossteil der gesundheitlichen Schäden verantwortlich, die auf das Rauchen zurückzuführen sind. «Die Leute rauchen wegen des Nikotins, aber sterben wegen des Teers», veranschaulichte es einst der Wissenschaftler Michael Russell. (3) Kann oder will ein Raucher also nicht auf Nikotin verzichten, so birgt der Umstieg auf alternative Nikotinprodukte mit geringerem Schadstoffausstoss das Potenzial einer schadensmindernden Rauchentwöhnung.

Rauchstopp mit Hilfsmitteln

Verschiedene E-Zigaretten auf leichtblauem Untergrund.
New Africa/stock.adobe.com

Natürlich ist der sofortige Rauchstopp, ohne Rückgriff auf nikotinhaltige oder nicht-nikotinhaltige Hilfsmittel und Produkte, die beste Option. Die Realität zeigt jedoch, dass nur ein kleiner Teil der Raucher hierzu imstande ist. Hinzu kommen jene, die ihre Sucht trotz gesundheitlicher Risiken nicht ablegen wollen. Für all jene sind risikoreduzierte nikotinhaltige Produkte eine Alternative zur Zigarette. Das Spektrum solcher Produkte ist vielfältig und reicht von ­Pflastern und Sprays über E-Zigaretten und Tabakerhitzer bis hin zu den verschiedenen Formen nikotinhaltiger Produkte zur oralen Anwendung.

Nikotin fördert zwar die Sucht, wirkt selbst jedoch nicht kanzerogen. Diese Tatsache ist wichtig für eine zielführende Beratung zum Rauchstopp. Denn häufig ist der Wille zur Abstinenz vorhanden, doch dieses Ziel erreichen mit 3–5 % aller Raucher nur die wenigsten. (4) Mit Hilfsmitteln liegt die Quote wesentlich höher.

Medikamente zur Entwöhnung steigern sie auf Werte zwischen 15 und 25 %. (5) Auch Nikotinersatzprodukte (z. B. Kaugummis), auch NRT (nicotine replacement therapy, Nikotinersatztherapie) genannt, können die Rauchentwöhnung fördern. NRTs enthalten zwar Nikotin, doch es fallen die gesundheitsschädlichen HPHCs weg, die bei der Verbrennung von Tabak entstehen.

Eine zieloffene Suchtprävention strebt zwar prioritär die Abstinenz an, doch berücksichtigt sie auch schadensmindernde Alternativen als einen Teil der Suchtberatung. Oft beginnt ein Gespräch zum Rauchstopp beim Hausarzt oder ­einer Stelle zur Suchtprävention. Hierbei sollte es auch um alternative Produkte samt entsprechender Abstinenzraten gehen. Liegt nun der Wille zum Rauchstopp vor, gilt es die Nikotinsucht zu evaluieren. Der Hausarzt kann nun den Fagerström-Test durchführen, der ab einem Ergebnis von sechs Punkten zu einer Kostenerstattung durch die Krankenkasse bei den Medikamenten zur Entwöhnung qualifiziert.

Schadensminderung durch alternative ­Nikotinprodukte?

Die Schadensminderung ist ein Konzept, das sich in vielen Bereichen bewährt hat. Prominente Beispiele sind die weltweiten Methadon-Programme und Kampagnen zum Thema safer sex. Die UN (United Nations) haben die Bedeutung der Schadensminderung erkannt und rufen daher zur Umsetzung auf. Restriktive Massnahmen und Verbote haben sich in Bezug auf die Regulierung von Substanzen mit Suchtpotenzial oftmals wenig bewährt. Eine Alternative ist die Schadensminderung, die sich mit einigen alternativen Nikotinprodukten erzielen lässt. (6,13)

Nikotinhaltige Produkte als Alternative zur Zigarette stehen häufig im Fokus öffentlicher Diskussionen. Meist geht es hierbei um den Jugendschutz und potenzielle, derzeit unerkannte Gesundheitsrisiken. Selbstverständlich gilt es den Schutz von Kindern und Jugendlichen und die Forschung an alternativen Nikotinprodukten weiter voranzutreiben. Schadensminderung soll allen Teilen der Bevölkerung zugutekommen.

E-Zigaretten, Tabakerhitzer und NRT

Zu den wichtigsten Hilfsmitteln zur Rauchentwöhnung zählen neben den o. g. Medikamenten die E-Zigaretten, Tabakerhitzer und Produkte aus dem Segment der NRTs.

E-Zigaretten enthalten anstatt Tabak eine Flüssigkeit, das sogenannte Liquid, mit oder ohne Nikotin und einer umfassenden Bandbreite an unterschiedlichen Aromen. Zur Rauchentwöhnung sollte das Liquid eine ausreichende Menge Nikotin enthalten. Die Produktkategorie der E-Zigaretten beinhaltet unzählige Systeme von ­einer ebenso unüberschaubaren Zahl an Herstellern. Gemeinsam ist all diesen Produkten, dass sie mithilfe einer Batterie eine Vorrichtung (Drahtspule, Zerstäuber etc.) zur Freisetzung des Nikotins aus dem Liquid antreiben. Die Prävalenz der E-Zigarette liegt bei 3,0 % und ihr Schadenspotenzial lässt sich als deutlich geringer gegenüber dem von Zigaretten einordnen. (6)

Tabakerhitzer setzen nicht auf die Verbrennung, sondern die Erwärmung des Tabaks. Ein Prozess, der auch als Heat-not-burn bezeichnet wird. Denn statt der 800 °C bei der Tabakverbrennung entstehen in Tabakerhitzern geräteabhängig Temperaturen zwischen 240 und 350 °C. Solche Apparaturen setzen ein nikotinhaltiges Aerosol frei, in dem laut Angaben der Hersteller bis zu 95 % weniger Schadstoffe enthalten sind als im Rauch einer Zigarette. (7) Durch Heat-not-burn freigesetztes Nikotin flutet wahrscheinlich ähnlich schnell an und erreicht ähnliche Blutkonzentrationen wie beim Rauchen. Die Prävalenz liegt bei 2,8 % und ihr Schadenspotenzial liegt deutlich geringer als jenes von Zigaretten. (6)

Die beiden toxischen Stoffgruppen, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Carbonylverbindungen, setzen sowohl Tabakerhitzer als auch E-Zigaretten in deutlich niedriger Konzentration als Zigaretten frei, da sie ohne die Verbrennung von Tabak funktionieren. Die Schadstoffbelastung und die Kosten der Nutzung sind meist bei E-Zigaretten geringer als bei Tabakerhitzern. Für den Umstieg auf eine E-Zigarette ist aufgrund der Produktvielfalt eine Beratung in einem Fachgeschäft empfehlenswert, um technische ­Barrieren zu überwinden.

Die NRT umfassen eine inhomogene Gruppe an Produkten, wie z. B. Pflaster, Inhalatoren, Mund- und Nasensprays und Kaugummis, die Nikotin freisetzen. Bei den NRT geht allerdings das Rauchritual verloren, das ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Rauchstopps sein kann. Je nach Produkt verläuft die Anflutung des Nikotins unterschiedlich schnell und intensiv. Anders als bei ­E-Zigaretten und Tabakerhitzern weisen NRTs deutliche Abweichungen hinsichtlich Intensität und Schnelle der Nikotinaufnahme in den Blutkreislauf auf.

Da diese Parameter für viele Konsumenten ein entscheidendes Genusskriterium sind, wirken sie sich auf den Erfolg bei der Rauchentwöhnung aus. So zeigte eine Studie, dass E-Zigaretten den Rauchstopp effizienter fördern als die NRTs. (8) Das Schadenspoten­zial unterschreitet jenes von Zigaretten deutlich und liegt noch unter jenem von Tabakerhitzern und E-Zigaretten. (6)

Aerosol- und Rauchlos

Rauchlose Tabakprodukte sind entweder für den oralen oder den nasalen Gebrauch konzipiert. Hierzu zählen Nikotinbeutel mit oder ohne Tabak (auch als Snus bekannt), klassischer Kautabak und Schnupftabak.

Unter dem Namen Snus ist Oraltabak seit weit über 100 Jahren in Schweden verbreitet. Früher noch als «Tabak für Arme» bezeichnet, hat Snus einen Imagewandel erfahren. Ein Grund hierfür dürfte in der Tatsache liegen, dass Snus eine schadensmindernde Alternative zu Zigaretten darstellt. Real-World-Daten aus Schweden untermauern den Zusammenhang zwischen dem Wechsel des Konsums von Zigaretten zu Snus und dem Rückgang von Herzkreislauferkrankungen und Lungenkrebs. (9) Ein weiterer Grund liegt in der stetigen Weiterentwicklung von Snus. Klassischer Snus ist loser Oraltabak, der anderen Varianten von Kautabak ähnelt.

Seit Beginn der 1970er-Jahre geht der Trend in Richtung Oraltabak, der in mundgerechten Beuteln verpackt ist. Heutzutage findet der Sammelbegriff Snus auch Anwendung für moderne Produkte (sogenannte Nikotinbeutel), die zwar Nikotin enthalten jedoch frei von Tabak sind. Ein wichtiger Schritt, denn Tabak enthält HPHCs. Mit der Weiterentwicklung von Snus steigt dementsprechend das schadensmindernde Potenzial solcher Produkte gegenüber dem Tabakkonsum.

Die Wirkung von Snus und Kautabak tritt ein durch die Nikotinaufnahme über die Mundschleimhaut. Der Übergang in den Blutkreislauf dauert etwa doppelt so lang wie bei der Aufnahme über die Lunge, doch durch den oftmals höheren Nikotingehalt und die längere Verweildauer im Mund entfaltet sich ein langanhaltender Effekt. (10,11) Beim Schnupftabak sind die aufgenommene Nikotinmenge und die Anflutung vergleichbar mit dem Rauchen. (12) Snus mit und ohne Tabak weist hierzulande eine Prävalenz von 2,0 %, Schnupftabak von 2,3 % und Kautabak von 0,7 % auf. (1) Das Schadenspotenzial dieser Produkte liegt deutlich geringer als jenes von Zigaretten.6

  1. OCDE (2021), Panorama de la santé 2021: Les indicateurs de l›OCDE, OECD Publishing, Paris. [Lien].
  2. Russell MA. Low-tar medium-nicotine cigarettes: a new approach to safer smoking. Br Med J. 1976 Jun 12;1(6023):1430-3. doi: 10.1136/bmj.1.6023.1430
  3. Hughes JR et al. Shape of the relapse curve and long-term abstinence among untreated smokers. Addiction. 2004 Jan;99(1):29-38. doi: 10.1111/j.1360-0443.2004.00540.x
  4. Abrams DB et al. Harm Minimization and Tobacco Control: Reframing Societal Views of Nicotine Use to Rapidly Save Lives. Annu Rev Public Health. 2018 Apr 1;39:193-213. doi: 10.1146/annurev-publhealth-040617-013849
  5. Hartmann-Boyce J et al. Electronic cigarettes for smoking cessation, Cochrane Database of Systematic Reviews 2021. 9: 1465–1858.
  6. Dataset Special Eurobarometer 506: Attitudes of Europeans towards tobacco and electronic cigarettes, February 2021.
  7. Foulds J et al. Effect of smokeless tobacco (snus) on smoking and public health in Sweden. Tob Control. 2003 Dec;12(4):349-59. doi: 10.1136/tc.12.4.349
  8. Hernandez SL et al. Relationships Among Chewing Tobacco, Cigarette Smoking, and Chronic Health Conditions in Males 18-44 Years of Age. J Prim Prev. 2017 Oct;38(5):505-514. doi: 10.1007/s10935-017-0485-4
  9. Sapundzhiev N, Werner JA. Nasal snuff: historical review and health related aspects. J Laryngol Otol. 2003 Sep;117(9):686-91. doi: 10.1258/002221503322334486
  10. Bundesinstitut für Risikobewertung. Gesundheitliche Bewertung von Nikotinbeuteln (Nikotinpouches). Aktualisierte Stellungnahme Nr. 042/2021 des BfR vom 21. Dezember 2021.