Konsum wird in Zukunft weiter zunehmen

Wie Anabolika das Herz-Kreislauf-System belasten

In der Schweiz konsumieren mehrere Hunderttausend Personen Anabolika und sind mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen konfrontiert. Dr. Raphael Magnolini, Arud Zentrum für Suchtmedizin, Zürich, fasst die kardiovaskulären Folgen des Anabolikakonsums zusammen.

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21. Mai 2024
Anabolikamissbrauch zur Leistungssteigerung ist in der Schweiz keine Seltenheit.
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Hierzulande nutzen geschätzt über 200 000 Personen die leistungssteigernden Medikamente. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die Präparate bei Hobbysportlern, was die Prävalenz von 30 Prozent unter Besuchern von Fitnessstudios verdeutlicht. Von dem Substanzmissbrauch sind alle sozialen Schichten betroffen.

Rund 30 Prozent werden abhängig

Anabolika beschreiben als Sammelbegriff eine Vielzahl unterschiedlicher Substanzen. Neben Testosteron und seinen synthetischen Derivaten sind dies u.a. Insulin, Humanes Wachstumshormon und Tamoxifen, um nur einige Bespiele zu nennen.

Viele Nutzer zeigen ein komplexes Konsumschema, bei dem sie zeitlich gestaffelt oder zeitgleich mehrere verschiedene Präparate in supraphysiologischer Dosis konsumieren. Hierbei entwickeln rund 30 Prozent der Nutzer eine Abhängigkeit. Der Einsatz von Anabolika ist häufig, komplex, hat viele unerwünschte Wirkungen und ein erhebliches Abhängigkeitspotenzial, resümiert Dr. Magnolini.

Toxische Effekte im Herz-Kreislauf-System

«Die Nebenwirkungen durch den Konsum sind sehr vielfältig, teilweise sehr komplex und können auch gravierend sein», betont der Experte. Er rät daher, bei Verdacht auf Anabolikakonsum niederschwellig abzuklären und zuzuweisen.

Die Nebenwirkungen von Anabolika umfassen die körperliche, psychische und soziale Ebene. Häufig ist auch das Herz-Kreislauf-System betroffen, denn hier entfalten viele der Substanzen einen toxischen Effekt.

Die Pathophysiologie der kardiovaskulären Schädigung ist vielschichtig entsprechend der unterschiedlichen Effekte der Präparate. Sie können atherosklerotisch und thrombotisch wirken sowie Vasospasmen und eine kardiale Hypertrophie verursachen. Somit entsteht ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die sich letztlich als Anabolika-induzierte Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz mit Myokardschädigung und Hypertrophie manifestieren.

Besserung der Hypertrophie nach Anabolikastopp

Seinen Vortrag rundet der Referent mit einem Fallbeispiel ab: ein 38-jähriger Polizist, der seit acht Jahren Anabolika konsumierte und in den sechs Monaten vor der ersten Konsultation eine wöchentliche Testosteronäquivalenzdosis von 500–1.000 mg einnahm.

Der Patient klagte bei der Vorstellung über kardiovaskuläre Beschwerden (Schwindel, Leistungseinbrüche im Fitnessstudio, Herzpalpitionen). Auffällige Befunde waren zudem ein BMI von 32,6 kg/m2 bei muskulöser Statur und ein arterieller Blutdruck von 151/86 mmHg. Im EKG zeigten sich Zeichen einer linksventrikulären Hypertrophie, welche die Echokardiografie bestätigte.

Echokardiografie-Ergebnis kann Abstinenzmotivation unterstützen

Innerhalb von vier bis sechs Monaten nach Stopp des Anabolikakonsums entwickelten sich die Zeichen linksventrikulären Hypertrophie im EKG zurück. Auch der echokardiografische Befund besserte sich: Es kam zu einer Normalisierung der maximalen Septumsdicke auf 10–11 mm und der longitudinalen Deformation (GLS -17,5 %) bei weiterhin normaler Pumpfunktion. «Die Echokardiografie hilft den Patienten beim Aufbau einer Abstinenzmotivation, weshalb wir sie niederschwellig umsetzen», betont Dr. Magnolini.