Da die Arthrose insbesondere bei betagten Menschen auftritt, sind Komorbiditäten häufig. Eine Studie aus dem Jahr 2020 ergab, dass 62 Prozent der Arthrose-Patienten mindestens eine Begleiterkrankung hatten. Dabei handelte es sich vor allem um Hypertonie (37%), Herzerkrankungen (8%) und Diabetes mellitus (7%). Weitere häufige Komorbiditäten sind u.a. Depression, COPD sowie Übergewicht.
Alle können die arthrotischen Gelenkbeschwerden verschlimmern, so ist in einer neuen Übersichtsarbeit zu lesen (1). Doch welche Mechanismen liegen dem zugrunde? Das war in den vergangenen Jahren Gegenstand intensiver Forschung.
Aufschlussreiche Erkenntnisse konnten vor allem für Diabetes mellitus gewonnen werden. Zu den Pathomechanismen, die zu stärkeren Gelenkschmerzen führen, zählen sowohl eine durch den Diabetes bedingte systemische Entzündung als auch erhöhte Entzündungsprozesse im Gelenk. Darüber hinaus kann zu hoher Blutzucker die Bildung und Akkumulation von sogenannten «advanced glycation end products» (AGE) in Zellen und Gewebe fördern. Diese Substanzen entstehen durch eine spontane Reaktion von Glukose mit Proteinen oder Lipiden. Sie haben direkten Einfluss auf den Metabolismus und lösen oxidativen Stress in den Mitochondrien aus. Ausserdem können AGE die Funktion von Nervenfasern beeinflussen.
Nicht zuletzt führt eine Hyperglykämie zu einer stärkeren intrazellulären Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies, was den oxidativen Stress weiter befeuert. Über verschiedene Mechanismen führt Diabetes ferner zu einer Aktivierung und Schädigung von Nervenfasern. Zusammengefasst resultieren alle diese Prozesse in einer Aktivierung des nozizeptiven Systems. Zu beobachten sind etwa eine periphere und zentrale Sensibilisierung, eine direkte Erregung der Nervenfasern und neuropathische Veränderungen, die alle mit erhöhten Schmerzen einhergehen.
Das Risiko für Arthrose steigt auch mit dem BMI. Fettgewebe kann eine hohe Anzahl an Makrophagen und proinflammatorischen Zytokinen ausschütten, die eine geringgradige systemische Entzündung hervorrufen. Ob allein diese Prozesse für die erhöhten Schmerzen bei Patienten mit Arthrose verantwortlich sind, ist noch unklar. Fest steht hingegen, dass eine Bewegungstherapie die Gelenkbeschwerden lindern kann. Ausserdem senkt eine Reduktion des Körperfetts durch Bewegung und Diät die Entzündungsparameter.
Arthrose-Patienten mit Hypertonie empfinden stärkere Gelenkschmerzen als solche mit normalem Blutdruck. Studien zeigen, dass Menschen mit chronischen Schmerzen bei erhöhten Druckwerten mehr Schmerzen empfinden, während Normalwerte normalerweise mit geringeren Schmerzen einhergehen. Auch bei Hypertonie scheinen Entzündungsprozesse bzw. erhöhte Serumkonzentrationen proinflammatorischer Zytokine eine Rolle zu spielen. Eine medikamentöse Behandlung des Bluthochdrucks kann die Konzentration entzündungsfördernder Stoffe im Serum senken und das Schmerzempfinden reduzieren.
Bei Arthrose-Patienten unter 45 Jahren ist eine Depression die häufigste Komorbidität. Auch zwischen Depression und Schmerzen im Allgemeinen bzw. Gelenkschmerzen im Speziellen besteht ein enger Zusammenhang.
So leiden depressive Arthrose-Patienten unter stärkeren Gelenkschmerzen als solche ohne die psychische Erkrankung. Dies ist möglicherweise auf ein Ungleichgewicht an Neurotransmittern zurückzuführen, wodurch das Schmerzempfinden auf zentraler Ebene beeinflusst wird. Auch eine Beteiligung von Entzündungsprozessen kommt als Erklärung infrage.
Da Komorbiditäten den Gelenkschmerz so stark beeinflussen können, sollte man die Arthrose nicht als rein orthopädische, sondern eher als internistische Erkrankung ansehen, fordern die Autoren. Die Mitbehandlung der Begleiterkrankungen verspricht einen besseren Therapieerfolg.
Um relevante Komorbiditäten frühzeitig zu identifizieren, sollten Arthrose-Patienten stets umfassend untersucht werden. Darüber hinaus lohnt es sich, die Betroffenen über den Zusammenhang von Komorbiditäten und Gelenkbeschwerden aufzuklären. Dies kann die Motivation steigern, beeinflussbare Faktoren wie Übergewicht, Diabetes mellitus und Bluthochdruck sowie deren Therapie ernst zu nehmen.
Eitner A, Schaible HG. internistische praxis 2022; 65: 651–661.