Medikation während Schwangerschaft

Multiple Sklerose und Kinderwunsch: Gute Begleitung ist Trumpf

Frauen mit Multipler Sklerose (MS) müssen heute weder auf eine Schwangerschaft verzichten noch unvertretbare Risiken auf sich nehmen. Eine gute Planung und Betreuung während der Planung einer Schwangerschaft ist Experten zufolge dennoch zu empfehlen. Nicht zuletzt sind viele Therapeutika während der Gestation kontraindiziert.

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22. Juni 2023
Eine Schwangerschaft bei Frauen mit Multipler Sklerose will gut geplant sein.
Tassii/gettyimages

In der Mehrzahl von einer MS betroffen sind Frauen im gebärfähigen Alter. Bestimmte Therapeutika sind jedoch während der Schwangerschaft kontraindiziert und müssen daher rechtzeitig vor der Konzeption abgesetzt werden, erklärt Professor Dr. ­Melinda Magyari, Dänisches Multiple-Sklerose-Zentrum, Universitätsklinik Kopenhagen. Das gilt bei einzelnen Medikamentengruppen auch für Männer mit MS und Kinderwunsch.

Ungeplante Schwangerschaften sollten Ausnahme bleiben

Ungeplante Schwangerschaften bei MS sollen daher möglichst eine Ausnahme bleiben und mittels moderner kontrazeptiver Massnahmen verhindert werden. Nur dann lassen sich optimale Voraussetzungen für einen günstigen Verlauf im Hinblick auf die werdende Mutter, das ungeborene Kind und eine adäquate MS-Therapie schaffen. Prof. Magyari weist darauf hin, dass inzwischen zwar sehr viele Aspekte der Schwangerschaft bei Frauen mit MS umfassend untersucht sind, die Schwangerschaftsplanung bei hochaktivem MS-Verlauf dagegen unverändert eine Herausforderung darstellt.

Bei einer Reihe von krankheitsmodifizierenden MS-Medikamenten (DMT) ist die Chance erhöht, dass eine MS-Reaktivierung vor der Konzeption oder auch während der Schwangerschaft ausbleibt. Inzwischen unterstützen Daten aus dem Real-World-Setting, dass die Fortführung von DMTs bis zur Konzeption und auch während der Schwangerschaft erwogen werden sollte, allerdings immer unter sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung.

Medikamentenstopp kann Rückfallrisiko erhöhen

Zu den MS-Medikamenten, die bei klinischer Notwendigkeit auch während der Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden können, gehören Interferon-beta und Glatirameracetat. Eine Therapie mit Natalizumab ist bis zum Eintreten der Schwangerschaft möglich. Während der Schwangerschaft scheint es nach aktuellem Kenntnisstand akzeptabel, Natalizumab bei Frauen mit hoher Krankheitsaktivität beizubehalten, mit Absetzen in der 30.–34. Schwangerschaftswoche, gefolgt von verlängerten Dosierungsintervallen. Auch eine Weiterführung der Therapie während der Stillzeit scheint möglich.

Auf das Thema «Schwangerschaft bei MS und höherer Krankheitsaktivität» geht Professor Dr. Kerstin Hellwig, Leiterin neurologische Ambulanz/Poliklinik, Katholisches Klinikum Bochum, ein. Sie erinnert daran, dass man lange glaubte, die Schwangerschaft könne einen protektiven Effekt mit reduziertem Schubrisiko haben. Daher standen bei der Schwangerschaftsplanung und -betreuung die fetalen Risiken unter einer MS-Therapie im Vordergrund. «Heute wissen wir», so die Expertin, «dass sich mit einigen MS-Medikamenten wie Natalizumab oder auch Fingolimod das Rückfallrisiko bei schwangerschaftsbedingtem Stopp erhöht.»

Im Rahmen einer eigenen Registerstudie (n = 255) zum Absetzen von Natalizumab vor der Schwangerschaft oder im ersten Trimenon, hat Prof. Hellwig neue Erkenntnisse gewonnen. Demnach leiden rund 70 Prozent der Frauen, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft Natalizumab abgesetzt haben, während der Schwangerschaft und im Jahr nach der Entbindung vermehrt unter Schüben. Eine relevante Zunahme der funktionellen Behinderung trat bei rund zehn Prozent der Frauen ein. Vor allem betroffen war dabei die Gehfähigkeit.

Mehrere Präparate sind bei Schwangeren kontraindiziert

Zu den MS-Medikamenten, die während der Schwangerschaft kontraindiziert sind, zählen die S1P-Modulatoren (Fingolimod, Siponimod, Ozanimod und Ponesimod), sowie Teriflunomid und Cladribin. Dimethylfumarat und Diroximelfumarat gehören, wie auch Alemtuzumab oder Ocrelizumab, zu den möglichen therapeutischen Optionen. Sie können im Einzelfall zum Einsatz kommen, wenn der zu erwartende Nutzen für die werdende Mutter das Risiko für das Ungeborene überwiegt.

Die individuelle strenge Indikationsstellung liegt im Ermessen des behandelnden Arztes. Die medikationsfreie Phase vor einer Konzeption hängt vom Medikament ab und variiert zwischen «mindestens eine Woche» und «bis zu 6 Monate». Eine gute Übersicht zur MS-Therapie bei Kinderwunsch und Schwangerschaft ist auf der Homepage der Schweizerischen MS-Gesellschaft zu finden.