In einer neuen Studie starben PatientInnen unter 50 doppelt so häufig nach einem Myokardinfarkt, wenn sie gleichzeitig eine entzündliche Systemerkrankung hatten. Dabei könnte eine Unterbehandlung dieser Patientengruppe eine Rolle spielen.
In einer neuen Studie starben PatientInnen unter 50 doppelt so häufig nach einem Myokardinfarkt, wenn sie gleichzeitig eine entzündliche Systemerkrankung hatten. Dabei könnte eine Unterbehandlung dieser Patientengruppe eine Rolle spielen.
Menschen mit einer chronischen entzündlichen Erkrankung haben ein erhöhtes Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise PatientInnen mit Psoriasis, rheumatoider Arthritis und Lupus erythematodes.
Eine neue Studie zeigt, dass Herzinfarkte bei jungen Menschen unter 50 wesentlich gefährlicher waren, wenn PatientInnen auch eine entzündliche Erkrankung hatten. In diesem Fall war das Risiko, zu sterben, fast verdoppelt. Die Forscher konnten ausserdem beobachten, dass Menschen mit entzündlichen Erkrankungen nach einem Herzinfarkt seltener Medikamente zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Aspirin oder Statine) einnahmen.
Experten raten Menschen mit einer entzündlichen Erkrankung zu besonderer Vorsicht aufgrund ihres Herz-Kreislauf-Risikos. Sie sollten besonders darauf achten, gesund zu leben, nicht zu rauchen, gesund zu essen und sich regelmässig zu bewegen. Leiden Sie an einer entzündlichen Erkrankung und haben Bedenken in Bezug auf Ihr Herz-Kreislauf-Risiko, ist der Hausarzt/die Hausärztin der/die beste AnsprechpartnerIn.
Rund 2% der Europäer leiden an chronischen systemischen entzündlichen Erkrankungen, die mehrere Organsysteme betreffen. Am häufigsten sind Psoriasis, rheumatoide Arthritis und Lupus erythematodes, die meistens im jungen Erwachsenenalter einsetzen.
Es ist seit langem bekannt, dass Menschen mit chronisch-entzündlichen Systemerkrankungen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln. Insbesondere Myokardinfarkte kommen in dieser PatientInnengruppe besonders häufig vor.
Dies lässt sich teilweise auf eine höhere Prävalenz von kardiovaskulären Risikofaktoren, wie Dyslipidämie, bei Menschen mit entzündlichen Erkrankungen zurückführen. Aber das alleine erklärt das stark erhöhte kardiovaskuläre Risiko nicht. Derzeit wird vermutet, dass das entzündliche Geschehen selbst der Haupttreiber für die kardiovaskulären Ereignisse ist [1].
Leitlinien des American College of Cardiology/American Heart Association (ACC/AHA) betrachten Psoriasis, rheumatoide Arthritis und Lupus als kardiovaskuläre „Risikoverstärker“, durch die Patienten einem erhöhten Risiko zugeordnet werden sollten. Aus diesem Grund empfiehlt das ACC und die AHA, bei Patienten mit grenzwertigen oder mittlerem kardiovaskulären Risiko und zusätzlich einer entzündlichen Erkrankung eine Primärpräventionsstrategie mit z.B. Statinen in Betracht zu ziehen [2].
In einer retrospektiven Kohortenstudie wurde nun erstmals untersucht, wie häufig entzündliche Erkrankungen bei jungen PatientInnen mit Herzinfarkten vorliegen, und wie sich diese auf deren Prognose auswirken [3]. Die ForscherInnen verwendeten Daten des YOUNG-MI-Registers, aus dem sie PatientInnen mit Herzinfarkten unter 50 Jahren auswählten, die am Bostoner Massachusetts General Hospital and Brigham and Women's Hospital behandelt wurden. Von den untersuchten 2.097 PatientInnen hatten 53 (2,5%) eine entzündliche Erkrankung, darunter war Psoriasis die häufigste (64%), gefolgt von Lupus (23%), rheumatoider Arthritis (9%) und anderen Erkrankungen (4%).
Dabei waren die PatientInnen mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen häufiger weiblich (36% vs. 19%, P = 0,004) und hatten häufiger erhöhten Blutdruck (62% vs. 46%, P = 0.025). ST-Hebungsinfarkte (STEMI) wurden in der Kohorte mit den systemischen Immunerkrankungen seltener beobachtet (39.6% vs. 53.8%, P = 0.04). Im Gegensatz dazu war die Häufigkeit anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren (z.B. Diabetes, Rauchen, Dylipidämie, oder kardiovaskuläre Todesfälle in der Familie) bei PatientInnen mit und ohne entzündliche Erkrankungen vergleichbar.
Im nächsten Schritt verglichen die ForscherInnen die Verläufe von 53 PatientInnen mit entzündlichen Erkrankungen mit denen einer Subgruppe von 138 PatientInnen ohne bekannte Entzündungen, bei denen Alter, Geschlecht, kardiovaskuläre Risikofaktoren und Komorbiditäten ähnlich waren. Innerhalb der mittleren Beobachtungsdauer von rund 11 Jahren starben in der Gruppe der 53 PatientInnen mit entzündlichen Vorerkrankungen 11 (20.8%) Personen, während in der Gruppe der 138 PatientInnen, die zum Zeitpunkt ihres Myokardinfarktes keine entzündliche Erkrankung hatten, „nur“ 12 (8.7%) starben. Nach einer Korrektur der Risikoerhöhung durch andere Faktoren ergibt das ein mehr als doppelt so hohes Mortalitätsrisiko in der Gruppe mit entzündlichen Systemerkrankungen (HR= 2.41; 95%-KI 1.04–5.61; P = 0.041).
Mögliche Erklärungen für die schlechteren Verläufe der jungen Herzinfarktpatienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen könnten laut den StudienautorInnen die Entzündung selbst, wie auch die erhöhte Prävalenz von klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren, z.B. Hypertonie, sein. Die Studie zeigt jedoch noch einen weiteren potenziellen Risikofaktor auf: PatientInnen ohne entzündliche Erkrankungen bekamen nach ihrem Myokardinfarkt fast alle ASS oder Statine verschrieben. Im Gegensatz dazu war der Anteil der PatientInnen mit entzündlichen Erkrankungen, die diese Wirkstoffe erhielten, um rund 10% geringer.
„Das hat uns sehr überrascht“, sagt Studienautorin Dr. Brittany Weber, eine Spezialistin für Kardio-Rheumatologie am Brigham and Women's Hospital und der Harvard Medical School. „Der Grund dafür könnte sein, dass ÄrztInnen möglicherweise befürchten, dass Gaben von ASS oder Statinen mit den von den PatientInnen gegen die Entzündung eingenommenen Antirheumatika unvereinbar sein könnten.“
Für Weber ist es nun unerlässlich, dass so schnell wie möglich einheitliche Leitlinien für die kardiovaskuläre Risikoabschätzung bei PatientInnen mit entzündlichen Erkrankungen geschaffen werden, um rechtzeitig präventive Massnahmen treffen zu können. „Die derzeitigen Therapiealgorithmen unterschätzen das kardiovaskuläre Risiko von PatientInnen mit systemischen Entzündungen ziemlich sicher.“
PatientInnen mit entzündlichen Erkrankungen sollten laut Weber aufgrund ihres erhöhten kardiovaskulären Risikos besonders auf ihren Lebensstil achten. Dazu gehört, nicht zu rauchen, sich ausgewogen zu ernähren und sich regelmäßig zu bewegen.