Eine Expertin erläutert, wie ein Burnout zu erkennen ist, und wie üblicherweise in der Therapie vorgegangen wird.
Eine Expertin erläutert, wie ein Burnout zu erkennen ist, und wie üblicherweise in der Therapie vorgegangen wird.
Burnout bezeichnet einen Zustand ausgeprägter Erschöpfung, bei gleichzeitiger verringerter körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit, ausgelöst durch chronische Stressfaktoren, die als nicht bewältigbar erlebt werden.
Für Behandlung der chronischen Erschöpfung spielt eine grosse Rolle, durch welche konkreten Belastungen die Störung ausgelöst wurde. Oft kommen die belastenden Faktoren aus mehreren Lebensbereichen. So können die Pflege von Angehörigen oder die Kindererziehung für viele Menschen sehr belastend sein. Vermuten Sie bei sich oder Ihren Angehörigen einen Burnout, sollte der erste Weg zum Hausarzt führen.
«Sieht man sich an, woher ein Burnout kommt, gibt es wie bei praktisch allen psychiatrischen Erkrankungen meist nicht nur eine eindeutige Ursache, sondern es gehören mehrere biologische, soziale und psychologischen Faktoren dazu» sagt Prof. Dr. med. Katja Cattapan, Stv. Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Privatstationen im Sanatorium Kilchberg, und Fachärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie*. Sie berichtet, dass viele Betroffene vor dem Zusammenbruch sehr stark engagiert sind.
Viele Faktoren beeinflussen, ob jemand an einem Burnout erkrankt. Dazu zählt die Persönlichkeit, aber auch bestimmte Verhaltensmuster, Erfahrungen, Prägungen, aber auch die körperliche Belastbarkeit, biologische Dispositionen, sowie persönliche Werte und Überzeugungen. Zusätzlich zu den persönlichen Umständen kommen noch externe Faktoren hinzu, wie die gesellschaftlichen Umstände und die Kultur, sowie arbeitsbezogene Probleme.
Besonders gefährdet sind Menschen mit Mehrfachbelastungen – die zum Beispiel einem Beruf nachgehen, und und zu Hause noch zusätzliche Pflegeaufgaben haben. Auch Alleinerziehende, die zusätzlich auch oft noch mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben, sowie Menschen mit chronischen Erkrankungen sind besonders häufig betroffen. Aber auch Persönlichkeitszüge wie Narzissmus, Ängstlichkeit und Abhängigkeit, Perfektionismus oder eine emotional instabile Persönlichkeit werden als Risikofaktoren bewertet.
Im Bereich von Persönlichkeitszügen gibt es innere Antreiber wie zum Beispiel hohe idealistische Erwartungen an sich selbst oder ein hoher Ehrgeiz. «Das starke Bedürfnis nach Anerkennung, es immer allen recht machen zu wollen und dabei die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken oder das Gefühl zu haben, unersetzbar zu sein, sind ganz typische Faktoren die zum Krankheitsbild beitragen» erklärt Prof. Cattapan. «Betroffene setzen sich stark ein - bis zur Selbstüberschätzung und Überforderung.»
Ein Burnout wird lege artis gemäss der internationalen Klassifikation ICD-10 aktuell nur noch ausschliesslich im beruflichen Zusammenhang definiert.
Zu den Berufsgruppen, die überproportional häufig betroffen sind, zählen Menschen in einer Position mit einer hohen Verantwortung aber vergleichsweise wenig Gestaltungsspielraum – etwa Menschen in der IT-Branche oder Mitarbeitende im Gesundheits- und Sozialbereich. Auch lange Arbeitswege können einen Burnout begünstigen.
Dazu kommt noch, dass heutzutage oft ein hoher Termin- und Leistungsdruck, sowie die Erwartung des Abarbeitens von Aufgabenstellungen per Multitasking herrscht. Diese Kombination überfordert Viele – vor allem Angestellte. Auch eine häufige Arbeitsunterbrechung wird von den Patienten als zusätzliche Belastung genannt. Unklar definierte oder unerreichbare Ziele und wenig Einfluss und Kontrolle auf die Arbeitsaufgabe sowie mangelnde Unterstützung des Vorgesetzten und eine zu geringe Anerkennung und Wertschätzung fördern das Burnout zusätzlich. Betroffene berichten zudem oft von fehlenden Zukunftsperspektiven und unsicheren Arbeitsplätzen, die sehr belastend sein können.
Zudem haben Menschen mit Traumatisierungen in der Vorgeschichte ein erhöhtes Risiko, sich im Beruf auszubrennen. «Über den Beruf versuchen sie, wieder Kontrolle zu erlangen und darüber zu Anerkennung kommen. Wer im Kindes- und Jugendalter eine Rollenumkehr erlebt hat ist besonders gefährdet», berichtet die Expertin. Dazu gehören Patienten, die in der Kindheit für ihre erwachsenen Eltern oder Geschwister sorgen mussten.
Das Kardinalsymptom des Burnouts ist die körperliche aber auch die emotionale Erschöpfung. Weitere typische Symptome sind Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopf- und Rückenschmerzen - hier sieht die Expertin einen typischen Phasenverlauf.
Oft, so Prof. Cattapan, gibt es aber auch Symptome auf der Leistungsebene: Dazu gehören einerseits intellektuelle und kognitive Einschränkungen, aber auch emotionale Veränderungen bis hin zu depressiven oder aggressiven Zustandsbildern. Ein dysphorisches Verhalten kann zusätzlich dazu führen, dass Menschen sich sozial zurückziehen, ihre Freizeitaktivitäten nicht mehr wahrnehmen und häufiger zu Substanzen greifen, um besser zu arbeiten oder aber um besser schlafen zu können.
Betroffene sind oft sehr idealistisch veranlagt mit einem hohen Engagement und hohen Erwartungen an sich selber. Diese merken dann, dass sie aufgrund ihres Zustandes vermehrt Fehler machen, was sie weiter verunsichert. Dies kann bis hin zur Apathie und Frustration führen, mit einem Gefühl der Wertlosigkeit und dem Gefühl, einfach nur noch mechanisch zu handeln. Schlussendlich folgt die Resignation: Es kann zu einer Schmerzsymptomatik, Angst, Depression, oder sogar zum Suizid kommen.
In Bezug auf die Diagnostik gibt es zwar bestehende Burnout-Fragebögen, die aber häufig für den Praxisgebrauch nicht so gut geeignet sind, sagt Prof. Cattapan. Stattdessen empfiehlt sie, Fragebögen zur Depressionsdiagnostik heranzuziehen, wie etwa den PHQ-9, der valide und einfach auszufüllen sei.
Behandelnde Ärzte sollen zudem eruieren, in welchem Kontext die depressiven Symptome aufgetreten sind. Die Expertin betont, dass ein Burnout oft schwierig einzuordnen sei. Zwischen Burnout und Depression gibt es Überschneidungen - diagnostizieren müsse man als erste Diagnose immer eine depressive Episode, eine Anpassungsstörung, eine Angststörung oder eine somatoforme Störung. Burnout kann dann als Zusatzdiagnose angegeben werden, Ärzte seien dazu aber nicht verpflichtet.
Ob eine Krankschreibung sinnvoll ist, ist abhängig auch von zusätzlichen komplizierenden Faktoren – wie zum Beispiel einer Sucht- oder einer zusätzlichen somatischen Problematik. Bei Schlafstörungen ergibt es aber beispielsweise Sinn, den Patienten ganz aus dem Arbeitsprozess zu nehmen – auch bei einer mittelschweren depressiven Symptomatik sollte das Arbeitspensum reduziert werden.
«Dabei ist es jedoch wichtig, dass der Betroffene nicht einfach nur zu Hause bleibt, denn so ändert sich nichts an seinem Zustand.» Eine bessere Möglichkeit, so Prof. Cattapan, ist es, ein intensives ambulantes Programm für die Patienten zu organisieren.
Eine Psychotherapie mit Ressourcenaktivierung kann der erste Schritt sein. Andererseits besteht ein hohes Rückfallrisiko bei Wiedereinstieg ins Berufsleben. Es kann auch ein stationärer Aufenthalt in Betracht gezogen werden. Auch die Begleitung in den anschliessenden beruflichen Wiedereinstieg sollte psychotherapeutisch begleitet erfolgen.
Prof. Cattapan sieht die Psychotherapie als zentralen Punkt in der Burnout-Behandlung an. Betroffene lernen dort die Umstrukturierung von mentalen Schemata und ihren eigenen Umgang mit Stress zu verbessern. In der Psychotherapie lernen die Patienten auch, auch einmal an sich selbst zu denken, selbstwirksam zu sein und nicht mehr roboterhaft ihrer Arbeit nachzugehen. Auch Gruppenangebote im Bereich von Stressbewältigung und Konfliktlösung haben diesbezüglich eine grosse Wirksamkeit.
Zusätzlich können Patienten wieder lernen, auf verschiedene Weisen wieder eine Regeneration zu erfahren. Dazu zählt etwa, sogenannt verschüttete Ressourcen wieder zu aktivieren. Der Betroffene kann dazu Aktivitäten, die ihm früher Spass gemacht haben, und die nichts mit Leistung zu tun haben (Freunde treffen, in die Natur gehen), wieder aufnehmen. Zusammen mit dem Arbeitgeber soll der Betroffene eruieren, welche Entlastungen am Arbeitsplatz möglich sind.
Unterschieden werden muss zwischen akuten Interventionen und langfristiger Behandlung: Bei akuten Interventionen geht es erstmal darum, Patienten zu stabilisieren und zu entlasten, wie zum Beispiel die Kinderbetreuung zu organisieren. Viele leiden unter Schlafstörungen, hier ist es laut Prof. Cattapan wichtig, frühzeitig auch medikamentös zu behandeln, damit der Betroffene aus dem Teufelskreis der Schlaflosigkeit aussteigen kann.
«Bei jedem Patienten sind die Therapieziele anders: Jeder hat sein eigenes Belastungsmuster und seine eigenen inneren Antreiber», so Prof. Cattapan. Ein Burnout nimmt für die Betroffenen zumeist eine existenzielle Dimension an, weshalb die Interventionen zusätzlich zur arbeitsbezogenen Komponente auch den Miteinbezug des Partners und der Familie erfordern. «Was immer wieder unterschätzt wird ist die Wichtigkeit der körperlichen Bewegung - eben nicht leistungsbezogen – sondern dass man etwas Gutes für sich tut und so Stress abbaut,» rät die Expertin zusätzlich. In der Psychotherapie erlernen Betroffene auch Entspannungsverfahren wie die progressive Relaxation oder Achtsamkeitsübungen.
Das Schweizer Expertennetzwerk für Burnout beschreibt in seinen Therapie-Empfehlungen, dass man sich in der medikamentösen Therapie auf Depressionsbehandlungen stützen soll. Prof. Cattapans Erfahrung nach brauchen Burnout-Patienten aber nur relativ wenig Medikamente. Stimmungsverbesserungen können mittels Selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI) erreicht werden, diese haben auch einen guten Einfluss auf die Neuroplastizität.
Bei Schlafproblemen sollten keine Benzodiazepine, sondern zuerst Antidepressiva oder auch atypische Antipsychotika in kleiner Dosierung versucht werden. «Burnout-Patienten zeigen eine geringe Chronifizierung und sprechen schnell auf die Medikamente an», sagt Prof. Cattapan.
Aber auch ein intensives, nicht-medikamentöses Programm mit viel Bewegung und Entspannung kann erfolgreich sein. Die Wiedereingliederung an den Arbeitsplatz oder aber ein kompletter Wechsel der Arbeitsstelle sollte mit einer Laufbahnplanung unterstützt werden.
* WebUp «Updates für Hausärztinnen und Hausärzte - 6 Highlights in 60 Minuten» des Forums Medizin Fortbildung (FoMF) vom 26.09.2022