Der Schritt aus dem Hamsterrad

Stress lass nach! Aber wie?

Multitasking, ständige Erreichbarkeit und ein Lebensstil, der keine Rast erlaubt. Aber Dauerbelastung, ständige Überreizung und Selbstüberforderung können nicht nur der Psyche, sondern auch dem Körper grossen Schaden zufügen. Wie schafft der Mensch den Schritt aus dem Hamsterrad?

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10. Jan. 2023
Portrait of a young businessman looking stressed out in a demanding office environment
PeopleImages/gettyimages

Stress scheint heutzutage fast schon ein Statussymbol zu sein. Wer viel Stress hat, ist wichtig, erfolgreich und wird gebraucht. Aber was bedeutet das Wort Stress eigentlich, das heute so häufig in den Mund genommen wird wie nie zuvor?

«Wenn die Anforderungen des Alltags auf Dauer mit den Mitteln und Möglichkeiten eines Menschen nicht mehr übereinstimmen, entsteht ein seelischer Druck mit negativen psychischen und physischen Konsequenzen», sagt Dr. med. Adrian Suter, der als Facharzt für Psychiatrie in der Klinik Hohenegg Meilen vor allem Patientinnen und Patienten mit Burnout und Depressionen behandelt.

Die Verantwortung übernehmen

Was tun, wenn der Alltag überfordert und aufgrund der existenziellen Situa­tion keine Auswege ersichtlich sind? Man kann ja nicht alles hinschmeissen. «Gegen Stress gibt es weder ein Medikament noch ein Patentrezept», erläutert der Klinikarzt, «aber letztendlich ist jeder selbst für seine Gesundheit verantwortlich und muss seine Life-/Workbalance ernst nehmen.»

Tägliche Pausen im Job sind für ihn ein wichtiges Thema. «Morgens und nachmittags regelmässig kurz durchatmen, das Büro verlassen und sich etwas bewegen bringt viel. Kein Mensch kann nonstop zu Höchstleistungen auflaufen.»

Personen, die in der Arbeit vorwiegend fremdbestimmt sind und wenig Wertschätzung bekommen, erweisen sich besonders anfällig auf Stresserkrankungen. Suter dazu: «Wer im Beruf keine Regenerationsmöglichkeit hat, muss sich am Wochenende seine Ruhepole schaffen.» Klingt einfach, ist es aber nicht.

Doch der Mediziner zeigt sich hartnäckig: «Jeder Mensch hat Sachzwänge, denen er ausgesetzt ist. Aber es gibt keine Entschuldigung für 24 Stunden Dauerstress, der früher oder später zu nicht mehr reparablen gesundheitlichen Schäden führt. Freiräume werden einem nicht geschenkt, man muss sie sich holen.»

Regelmässigkeit ist entscheidend

Fitnesscenter, Tai Chi-, Chi Gong- oder Yogakurs? Wie finden Erholungsbedürftige die für sie richtige Alternative zum nervenaufreibenden Alltag? Suter: «Welche Methode für den Ausgleich sorgt, ist nicht ausschlaggebend. Jeder muss für sich selber entscheiden, was passt.

Massgebend ist, etwas regelmässig in seinen Alltag einzubauen, das so selbstverständlich wird wie das Zähneputzen.» Eine tägliche Achtsamkeitsmeditation, während der man sich an einem selbstgewählten Ort für wenige Minuten in völliger Stille ganz auf sich selber fokussiert, bringt viel für das innere Gleichgewicht. Zudem kann sie überall und zu jedem Zeitpunkt praktiziert werden. Anleitungen gibt es mittlerweile auch auf diversen Apps und dem Internet.

Was ist wichtig?

Ernährung und Schlaf sind weitere wichtige Faktoren, die bei Stresskandidaten über das Wohlbefinden entscheiden. Wer sich nicht gesund ernährt, belastet und schwächt seinen Körper und Geist zusätzlich. «Nicht alles kann gleichzeitig Priorität haben», meint Suter abschliessend. «Wer ständig am Anschlag ist, kommt nicht darum herum, sich die Grundsatzfrage zu stellen: Was ist mir in meinem Leben wirklich wichtig?»