Tabak begleitet die Menschheit wahrscheinlich schon seit über 3500 Jahren. Das im Tabakrauch befindliche Nikotin hat eine Vielzahl an Wirkungen auf den menschlichen Körper. Darunter auch solche, die süchtig machen.
Tabak begleitet die Menschheit wahrscheinlich schon seit über 3500 Jahren. Das im Tabakrauch befindliche Nikotin hat eine Vielzahl an Wirkungen auf den menschlichen Körper. Darunter auch solche, die süchtig machen.
Schon amerikanische Ureinwohner kannten die angenehme Wirkung des Tabaks. So zeigen archäologische Funde, dass in Nordamerika bereits vor mindestens 3500 Jahren Tabak konsumiert wurde [1].
Dass der Rauch von Tabakprodukten im Gehirn etwas auslöst, liegt an einer kleinen Stickstoffverbindung aus der Familie der Alkaloide, dem Nikotin. Das Nikotin erhielt seinen Namen von seiner Ursprungspflanze Nicotiana tabacum. Im menschlichen Körper ruft das Nikotin eine Vielzahl von Prozessen hervor. RaucherInnen zielen bei ihrem Tabakkonsum dabei vor allem auf die angenehme und entspannende Wirkung des Nikotins ab.
Der in der Zigarette verbrannte Tabak setzt Rauchpartikel mit Nikotin frei, die durch das Einatmen in die Lunge transportiert werden [2]. Das Nikotin gelangt dabei über die Mundschleimhaut und die Lunge sehr rasch ins Blut: Nach einem Zug aus der Zigarette erreicht das Nikotin über den arteriellen Blutkreislauf innerhalb von 10 bis 20 Sekunden das Gehirn. Würde es ins Blut gespritzt werden, wäre es also viel langsamer. Über die Inhalation ist das Nikotin also viel schneller im Gehirn, als es beispielsweise wäre, wenn es ins Blut gespritzt würde. Rund 5 Minuten nach Beginn des Rauchens einer Zigarette erreicht die Menge des Nikotins im Blut ihren Spitzenwert [3].
Im Gehirn entfaltet das Nikotin seine Wirkung im sogenannten mesolimbischen System, dem Sitz unseres Belohnungszentrums. Dort bindet das kleine Molekül an nikotinische Acetylcholin-Rezeptoren (ACh-Rezeptoren) und aktiviert diese dadurch. Die ACh-Rezeptoren haben lange Fortsätze, mit denen sie in den sogenannten Nucleus accumbens im Vorderhirn reichen. Die dort sitzenden Nervenzellen schütten nach Nikotinkontakt den Botenstoff Dopamin aus, der für die Empfindung von Glücksgefühlen sorgt.
Die Erhöhung des Dopaminspiegels wird von Rauchern als angenehm und beruhigend empfunden, senkt Angst und Stress, und verbessert die Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit. Neben Dopamin werden durch das Nikotin auch die Botenstoffe Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat im Gehirn freigesetzt. Diese stossen Lernprozesse an, die eine positive Erinnerung an das Rauchen aufbauen, und dadurch die Nikotinabhängigkeit fördern [4].
Auch in anderen Teilen des Körpers, wie in den Muskeln, Nebennieren und im peripheren Nervensystem befinden sich nikotinische ACh-Rezeptoren. Die Zellen in diesen Körperregionen schütten nach Kontakt mit Nikotin weitere Botenstoffe aus, darunter Cortisol, Serotonin, Adrenalin und Noradrenalin [2, 5-8]. Dadurch löst Tabakrauch neben seinen Effekten im Gehirn auch im restlichen Körper bestimmte Reaktionen aus. Eine Stimulation der Adrenalin-Ausschüttung durch Nikotin steigert beispielsweise die Zucker- und Fettverbrennung – und erhöht damit den Energieumsatz [9, 10]. Das erklärt, warum Raucher nach dem Absetzen der Zigarette als erstes einmal zunehmen. Ausserdem unterstützt Nikotin über eine Stimulation des Parasympathikus die Darmtätigkeit, was die Verdauung anregt. Hören Menschen auf zu rauchen, leiden sie daher häufig unter Verstopfung [11].
Hat Nikotin erst einmal an seinen Rezeptor gebunden, kann es nicht wie der körpereigene Ligand Acetylcholin von dem dafür vorgesehenen Enzym Cholinesterase abgebaut werden. Dadurch bindet das Nikotin länger an den Rezeptor als Acetylcholin [12], und hält den Erregungszustand der Zelle länger aufrecht. Es kommt zu einer verlängerten Dopaminausschüttung. Mit der Zeit verlassen jedoch auch die Nikotinmoleküle den Rezeptor. Dauert es zu lange bis zur nächsten Zigarette, fehlt der „Nachschub“ und der Rezeptor bleibt unbesetzt. Daraufhin stellen sich Entzugssymptome wie Unruhe, Angst, schlechte Stimmung und Konzentrationsprobleme ein [13, 14].
Nikotin wird mit einer Halbwertszeit von rund zwei Stunden von der Leber abgebaut und schliesslich über die Blase ausgeschieden [3]. Bereits während es abgebaut wird, steigert sich das Rauchverlangen wieder: Die Rezeptoren im Gehirn wollen mit neuen Nikotin-Molekülen versorgt werden, um durch deren Sättigung das erwünschte Wohlgefühl zu behalten.
Typischerweise ist daher das Bedürfnis nach einer Zigarette am Morgen am grössten, wenn die Nikotinspiegel während des Schlafes gesunken sind, und sich Entzugssymptome bemerkbar machen. Über den Tag verteilt bis in den Nachmittag rauchen die meisten RaucherInnen wiederholt, um auf eine gleichbleibende Nikotinkonzentration zu kommen, bei der Entzugssymptome unterdrückt sind [2]. Um Entzugssymptome zu vermeiden, ruft das Gehirn von RaucherInnen beim Rauchen zusätzlich belohnende Wirkungen für bestimmte, mit dem Rauchen verbundene Eindrücke hervor. Wenn also durch das Aufrechterhalten eines ausreichenden Nikotinspiegels Entzugssymptome verhindert werden, vertieft sich etwa die Vorliebe etwa für den Geschmack des Tabakrauchs und das Gefühl des Inhalierens [2].
Obwohl viele Menschen das Rauchen gerne als liebgewordene Gewohnheit betrachten, liegt nach medizinischer Definition bei der Mehrzahl der RaucherInnen eine ausgeprägte Suchterkrankung vor. Diese äussert sich oft durch einen starken inneren Zwang zu rauchen. Ein weiteres Anzeichen für eine Sucht ist, dass man immer mehr Nikotin benötigt, um seine Entzugssymptome abzustellen (Toleranz). Bei einer starken Abhängigkeit rauchen manche Menschen weiter, obwohl sie bereits körperliche Schäden oder andere negative Konsequenzen durch das Rauchen davontragen [15].
Nikotin macht dabei vergleichsweise schnell abhängig, sein Suchtpotential ist vergleichbar mit dem von Opiaten, und liegt über dem Abhängigkeitspotenzial von Alkohol, und sogar leicht über dem von Kokain [16].
Die Nikotinabhängigkeit hängt mit vielen Faktoren zusammen, die mit anderen Süchten, wie Alkohol oder „harten“ Drogen durchaus vergleichbar sind. Sie lassen sich in eine körperliche und eine psychische Komponente unterteilen.
Der erste Schritt in die körperliche Abhängigkeit ist die Erhöhung der Dopaminspiegel im Belohnungszentrum durch das Nikotin. Diese erwecken rasch das Verlangen nach mehr Nikotin. Ungünstigerweise gewöhnen sich die Nervenzellen sehr schnell an den Nikotingebrauch und bauen, als Reaktion auf die abgesättigten nikotinischen ACh-Rezeptoren, mit der Zeit immer mehr ACh-Rezeptoren ein [17-19]. Dadurch wird es schwieriger, alle Rezeptoren mit Nikotinmolekülen zu besetzen, und es werden immer grössere Mengen an Nikotin notwendig, um eine Wirkung zu erzielen und Entzugssymptome zu unterdrücken (Toleranz). Diese Prozesse sind allerdings reversibel: Nach spätestens einem Monat ohne Nikotin sinkt die Anzahl der Rezeptoren wieder in den Normalbereich. Davor ist es jedoch für den/die Ex-RaucherIn besonders schwierig, da sich in dieser Zeit die bekannten Entzugssymptome wie Angst, Stress, Unruhe und körperliche Symptome wie Verstopfung oder Gewichtszunahme einstellen [20].
Diese Entzugssymptome sind auch häufig der Grund, warum Menschen, haben sie einmal das Rauchen eingestellt, wieder zur Zigarette greifen: Für sie ist es ein starker Anreiz, wieder mit dem Rauchen zu beginnen, dass das Nikotin Wohlgefühle hervorruft und das Stressniveau senkt – und gleichzeitig der durch den Rauchstopp verursachten Angst und Unruhe entgegenwirkt [2].
Zusätzlich zur Dopaminausschüttung im Belohnungszentrum, stimulieren nach Nikotingebrauch weitere Dopaminbahnen einen Bereich im Gehirn (präfrontaler Cortex), der in Lernvorgänge involviert ist [21]. Das führt dazu, dass das Rauchen mit bestimmten Situationen oder Gefühlen verbunden wird (Konditionierung). So kommt es, dass selbst Monate und Jahre nach einem Rauchstopp die Tasse Kaffee, das Glas Wein oder das Beisammensein mit Freunden – oder auch Gefühle wie Stress oder Langeweile – das Verlangen nach einer Zigarette hervorrufen können. Diese Situation nennt man eine psychische Abhängigkeit [2].
Ob eine Nikotinabhängigkeit vorliegt, lässt sich leicht durch den Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit ermitteln. Dieser ist ein einfacher und schneller Test, der eine Nikotinabhängigkeit nachweislich sicher feststellen kann. Die wichtigsten zwei Fragen zielen darauf ab, zu erfahren, wann eine Person ihre erste Zigarette am Tag raucht, und wie viele Zigaretten täglich geraucht werden [22]. Diese Tatsachen sind wichtige Anhaltspunkte dafür, ob ein Mensch eine hohe Tabakabhängigkeit aufweist.
Ebenso deuten folgende Anzeichen auf eine erhöhte Abhängigkeit hin [23]: