Medikamente und Strategien

Heuschnupfen nicht auf die leichte Schulter nehmen

Heuschnupfen ist keine harmlose Sache, obwohl wir ihn selbst gern als harmlos einstufen. Erstens kann er aber die Lebensqualität reduzieren, und zweitens kann sich daraus ein Asthma entwickeln. Zum Glück gibt es gute Medikamente und einige Strategien, um die Symptome zu lindern. Es gibt auch eine Therapie, die die Ursache des Heuschnupfens bekämpft und bei manchen Heuschnupfen-Geplagten sinnvoll sein kann.

Portrait of teenage girl blowing her nose on a summer day. The girl is allergic to the pollen.
Nikon D850
Imgorthand/gettyimags

Jedes Jahr wird von Heuschnupfen bzw. allergischer Rhinitis gesprochen und geschrieben. Man könnte meinen, jeder wüsste bestens Bescheid. Tatsächlich wird das Phänomen gerade von Betroffenen selbst häufig bagatellisiert.

«Es ist ja nur ein Heuschnupfen». Ein Heuschnupfen, der die Lebensqualität der Betroffenen allerdings sehr stark beeinträchtigen kann. Die Zahlen sind eindrücklich: In der Schweiz ist jede fünfte Person betroffen. Bei Schulkindern sind es bis zu 40 %, wobei Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen. Mittlerweile ist auch bekannt, dass die Vererbung eine weniger wichtige Rolle spielt, als ursprünglich angenommen wurde.

Die wichtigste Empfehlung zum Vorbeugen von Allergien ist nach wie vor ausschliessliches Stillen während der ersten vier Lebensmonate.

Eine Allergie kommt selten allein

Wer eine Allergie entwickelt, muss damit rechnen, dass sich im Laufe des Lebens noch weitere dazugesellen werden. Man spricht auch von einer Allergikerkarriere. Sie beginnt normalerweise bereits in der Kindheit mit Neurodermitis, möglicherweise kombiniert mit einer Nahrungsmittelallergie.

Im Laufe der Zeit kommt es häufig zum sogenannten «Etagenwechsel» bzw. «Etagenzuwachs». Das heisst, dass sich die Allergie nun in Form eines Heuschnupfens und/oder Asthmas in den oberen Atemwegen bzw. der Lunge zeigt. Es wird geschätzt, dass über 40 % der Betroffenen mit Heuschnupfen binnen zehn Jahren ein Asthma entwickeln. Die gute Nachricht ist, dass diese Gefahr reduziert werden kann, wenn Allergien frühzeitig erkannt, korrekt diagnostiziert und entsprechend behandelt werden.

So reduzieren Sie die Pollenbelastung

  • Sich ausführlich zum aktuellen Pollenflug informieren auf www.pollenundallergie.ch oder mit der App «Pollen-News»
  • Die Aktivitäten im Freien entsprechend anpassen
  • Während der Pollensaison nur kurz stosslüften. Bei längeren Regenphasen oder wenn Pollengitter an den Fenstern montiert sind, kann ausgiebiger gelüftet werden.
  • Im Auto Pollenfilter montieren (falls nicht bereits eingebaut) und diese gut warten
  • Nase regelmässig mit Salzwasserlösung spülen
  • Vor dem Schlafengehen die Haare waschen
  • Wäsche nicht im Freien trocknen lassen
  • Bei erhöhter Pollenkonzentration sich nur kurz im Freien aufhalten. Für körperliche Aktivität sind Indoor-Sportarten geeignet.
  • Sonnenbrille tragen

Wichtigste Allergene

Treten die typischen Heuschnupfensymptome zwischen Februar und September auf, sind dafür vor allem Pollen von windbestäubenden Pflanzen verantwortlich. Dazu zählen zum Beispiel Erle, Hasel, Birke, Gräser, Roggen, Beifuss und Wegerich.

Die vergleichsweise kleinen Mengen Pollen der von Insekten bestäubten Pflanzen spielen kaum eine Rolle. Pilzsporen hingegen können ebenfalls zu heuschnupfenartigen Beschwerden führen. Treten die allergischen Beschwerden das ganze Jahr über durchgehend auf, liegt die Ursache typischerweise bei Hausstaubmilben, Tierallergenen, Schimmelpilzen, Nahrungsmitteln oder Kontaktallergenen.

Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel

Ein interessantes Phänomen sind sogenannte Kreuzreaktionen auf Nahrungsmittel, wenn Heuschnupfen-Geplagte plötzlich auch auf gewisse Gemüse- oder Obstsorten reagieren. Das liegt daran, dass die Reaktion sich nicht gegen den gesamten Pollen, sondern nur gegen eine bestimmte Oberflächenstruktur des Pollens richtet.

Solche Oberflächenstrukturen kommen nicht nur auf dem Pollen, sondern auch anderswo in der Natur vor. Die Oberflächenstruktur namens Bet v1 zum Beispiel, die auf Birkenpollen vorkommt, kommt auch in Äpfeln und Pfirsichen vor, was erklärt, weshalb eine Allergie auf Pollen auch zu einer Nahrungsmittelallergie führen kann.

Hauptsymptome

Nun, die wichtigsten Symptome eines Heuschnupfens kennen Betroffene bestens. Es sind Niesen, Juckreiz, Sekretion eines klaren Sekrets und gereizte Augen. Bei Allergien, die länger als der Heuschnupfen andauern, also zum Beispiel bei einer Allergie auf Hausstaubmilben, ist eine verstopfte Nase ein wichtiges Zeichen.

Diagnose durch den Arzt

Obwohl es in der Apotheke und Drogerie viele gute Medikamente gegen die Beschwerden eines Heuschnupfens gibt, sollte jeder Heuschnupfen einmal von einem Arzt diagnostiziert worden sein. Der Arzt wird viele Fragen stellen zu den Symptomen, zum zeitlichen Verlauf und zur Familiengeschichte.

Es kann hilfreich sein, sich vor dem Arzttermin zu Hause schon einmal ein paar Gedanken darüber zu machen. Nebst dieser sogenannten Anamnese hat der Arzt weitere Möglichkeiten, eine Allergie nachzuweisen. Dazu zählt der weitverbreitete sogenannte Hautpricktest, bei dem verschiedene Allergene (praktisch schmerzlos) leicht in die Haut eingeritzt werden und man die Reaktion des Körper darauf abliest.

Allergieauslöser vermeiden

Die Therapie beruht auf drei Säulen: Allergieauslöser meiden, Symptome behandeln und Immuntherapie. Die Allergieauslöser zu meiden ist gerade beim Heuschnupfen nur sehr eingeschränkt möglich. Einige vom aha! Allergiezentrum Schweiz empfohlenen Massnahmen zur Reduktion der Pollenbelastung sind in Box 2 aufgelistet.

Bei Allergiequellen, die das ganze Jahr über vorkommen, wie beispielsweise Hausstaubmilben, Tierhaare oder Schimmelpilze, gibt es verschiedene gute Möglichkeiten, die Allergenkonzentration zu senken. Dazu zählen beispielsweise milbendichte Überzüge, sogenannte «Encasings», für Kissen, Duvet und Matratze.

Therapie der Symptome

Antihistaminika
Bei leichten Beschwerden reichen sogenannte Antihistaminika zum Schlucken. Moderne Antihistaminika lindern die Beschwerden, praktisch ohne müde zu machen. Wenn Tabletten oder Tropfen zum Schlucken nicht ausreichen, werden Antihistaminika zusätzlich in Form von Augen- oder Nasentropfen eingesetzt.

Steroidhaltige Nasensprays
Bei stärkeren oder länger andauernden Beschwerden sind steroidhaltige Nasensprays Mittel der Wahl. «Steroid» ist ein Überbegriff für «Kortison». Es ist wichtig zu wissen, dass man keine Angst davor zu haben braucht. Moderne steroidhaltige Nasensprays verursachen keine Nebenwirkungen im Körper.

Wenn die verstopfte Nase besonders störend ist, sind sie sogar Mittel der Wahl. Sie helfen auch sehr gut, wenn die Augen mitbetroffen sind. Bei Patienten, die an Heuschnupfen und an Asthma leiden, wirken sich steroidhaltige Nasensprays auch positiv auf das Asthma aus.

Leukotrienrezeptor-Antagonisten
Was so kompliziert klingt, ist im Prinzip ganz einfach: Leukotrienrezeptor-Antagonisten heben die Wirkung der Leukotriene auf, die für die Entstehung der Heuschnupfensymptome mitverantwortlich sind. Ein Vertreter ist Montelukast. Seine Wirkung ist ebenfalls gut belegt, vor allem auf die verstopfte Nase.

Mastzellstabilisatoren
Mastzellstabilisatoren stabilisieren Mastzellen. Dadurch verhindern sie, dass Mastzellen Botenstoffe ausschütten, die zu den Heuschnupfensymptomen beitragen. Mastzellstabilisatoren wie Cromoglycinsäurederivate wirken jedoch vergleichsweise schwach. Sie haben vor allem eine Bedeutung in der Prävention, also wenn sie vorbeugend eingenommen werden, also bevor die Heuschnupfensaison beginnt.

Bei Bedarf kombinieren
Ein Mittel allein reicht meist leider nicht, um die Symptome ausreichend in den Griff zu kriegen. Oft müssen verschiedene Formen (z. B. Tabletten und Nasenspray) oder verschiedene Wirkstoffe miteinander kombiniert werden. Eine besonders effektive Kombination ist die Kombination eines Antihistaminikums mit einem Kortison, die jedoch rezeptpflichtig ist.

Desensibilisierung

Wenn alles nichts nützt, sollte eine sogenannte Desensibilisierung (Immuntherapie) in Betracht gezogen werden. Sie ist die einzige Therapie, die die Ursache bekämpft. Die Desensibilisierung bringt dem Körper bei, ein bestimmtes Allergen zu tolerieren, damit der Körper nicht mehr mit diesen schweren Symptomen darauf reagiert.

Dabei werden dem Organismus während drei bis fünf Jahren grosse Mengen des Allergens zugeführt. In der Regel geschieht das unter die Haut; für Birke und Gräser sowie Hausstaubmilben existieren aber auch Präparate, die unter die Zunge gelegt werden können. Man darf damit rechnen, dass die Beschwerden durch die Desensibilisierung deutlich zurückgehen werden.

Ein weiteres Argument für die Immuntherapie ist, dass sie auch das Risiko eines «Etagenzuwachs», also die Entstehung eines Asthmas, reduziert. Der Nachteil sind die hohen Kosten. Wer dafür infrage kommt und bei wem es sich trotz der Kosten lohnt, entscheidet der Allergologe, ein auf Allergien spezialisierter Arzt.
Heuschnupfen ist also nicht harmlos.

Betroffene sind aber auch nicht hilflos. Mit verschiedenen Mitteln können die Beschwerden gelindert und die Lebensqualität deutlich verbessert werden.