Viel Risiko für wenig Geld

Gefälschte Medikamente aus dem Internet

Allen Warnungen zum Trotz boomt der Handel mit Medikamenten aus dem Internet. Auch wenn das Internet schier unbegrenzte Möglichkeiten bietet – es ersetzt weder Arzt noch Apotheker und schützt nicht vor kriminellen Machenschaften mit gefälschten Medikamenten.

Spielzeug-Einkaufswagen mit Medikamenten auf einem Laptop.
Aliseenko/GettyImages

Mindestens jedes zweite im Internet gehandelte Medikament ist eine Fälschung oder eine Imitation von minderwertiger Qualität, wie Untersuchungen von am Zoll festgehaltenen Medikamenten zeigen. Hergestellt hauptsächlich in Indien, Thailand oder China, wo kaum Qualitätsvorschriften existieren oder Kontrollinstanzen fehlen, entstehen unter denkwürdigen Bedingungen Medikamente, die diese Bezeichnung nicht verdienen.

In voller krimineller Absicht oder durch menschliches Versagen enthalten sie entweder keinen oder aber den falschen Wirkstoff. Sofern sie den richtigen Wirkstoff enthalten, ist er häufig zu niedrig oder zu hoch dosiert. Oder verunreinigt. Wie beim russischen Roulette stehen die Chancen sehr hoch, bei einer Bestellung aus dem Internet ein Medikament zu erhalten, das die Gesundheit gefährdet.

Kriminell und geldgierig

In asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Ländern betrügt die Pharma-Mafia ihre eigenen Leute: Hier werden selbst lebensrettende Krebsmedikamente, Malariamittel und Antibiotika bis zur Wirkungslosigkeit gefälscht.

Längst hat der Schwarzmarkt auch die westlichen Länder erreicht, allerdings mit einem genau auf die Wohlstandsgesellschaft abgestimmten Angebot: Hierzulande finden vor allem sogenannte Lifestyle-Medikamente Absatz, allen voran Potenzmittel, Schlankheitsmittel und Muskelaufbaupräparate.

Aber auch Schmerzmittel, Psychopharmaka, hormonelle Verhütungsmittel, Mittel gegen Bluthochdruck und Schlafstörungen, Beruhigungsmittel, Hautaufheller, Bräunungsmittel und Haarwuchsmittel befinden sich im Angebot.

Und das Geschäft boomt. Jährlich fliessen zig Milliarden in die Taschen der illegalen Medikamentenhändler, die sich weder für Gesundheit noch Krankheit interessieren. Oft liegt den gelieferten Medikamenten nicht einmal ein Beipackzettel mit einem Minimum an Informationen bei. Weltweit sterben jährlich um die 700‘000 Menschen, weil sie gefälschte Medikamente eingenommen haben.

Eine Regelung für chronisch Kranke

Jährlich kommen gemäss Swissmedic schätzungsweise 50 000 illegale Briefe und Päckchen mit Arzneimittelsendungen in die Schweiz. Illegal sind Sendungen, die mehr als einen Monatsbedarf eines Medikamentes enthalten. Je nachdem macht sich also auch der Besteller strafbar und kann strafrechtlich verfolgt werden.

Diese Regelung, die einst Touristen, die auf Medikamente angewiesen sind, die Einreise in die Schweiz erleichtern sollte, führt nun dazu, dass Medikamente, die normalerweise einer ärztlichen Verordnung bedürfen, über Internet und Versandhandel für jeden zugänglich werdenAber auch die legale Einfuhr von Mengen bis zu einem Monatsbedarf birgt Risiken.

Risiko Potenzmittel

Ganz oben auf der Einkaufsliste stehen die Potenzmittel. Sie bringen vor allem Herz-Kreislauf-Patienten in Gefahr. Eine Kombination von Potenzmitteln mit anderen Blutdruckmedikamenten, vor allem mit Nitraten, kann zu lebensbedrohlichem Blutdruckabfall führen. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn die gelieferten Pillen massiv überdosiert sind oder gar ein Potenzmittel enthalten, das noch nicht einmal klinisch getestet worden ist.

Manche im Labor analysierten Medikamente enthielten entgegen der Information auf der Verpackung sogar eine Kombination verschiedener Wirkstoffe. Solche Medikamente machen eine kontrollierte und sichere Therapie schlicht unmöglich. In Asien beispielsweise sind Menschen gestorben, weil in den Potenzpillen statt eines Potenzmittels ein Diabetes-Medikament in hoher Dosierung enthalten war. Die Arbeiter hatten bei der Herstellung den Wirkstoffsack verwechselt.

Risiko Schlankheitsmittel

Bei den importierten Schlankheitsmitteln ist die Situation nicht besser. Es sind sowohl Fälschungen als auch Imitationen im Umlauf, alle von minderwertiger Qualität. Die Fälschungen enthalten teilweise Wirkstoffe, die in der Schweiz der Rezeptpflicht unterstehen oder aufgrund von gesundheitlichen Risiken schon längst wieder vom Markt genommen wurden. Oder sie enthalten Wirkstoffe, die den Körper entwässern, aber kein Fett abbauen.

Besonders prekär ist die Situation bei den rein pflanzlichen Schlankheitsmitteln aus China. In der Mehrheit der «rein pflanzlichen» Proben wurden chemische Wirkstoffe zur Gewichtsreduktion nachgewiesen, die alles andere als harmlos sind. Und als ob das nicht schon genug wäre, schluckt man mit dem einen oder anderen «rein pflanzlichen» Schlankheitsmittel nicht nur potenziell gefährliche Wirkstoffe, sondern reichlich Schwermetalle: Die Grenzwerte für Quecksilber wurden teilweise sechsfach überschritten, diejenigen für Blei sogar um das 50-fache.

Die Spreu vom Weizen trennen

Viele Internet-Apotheken vermitteln den Eindruck, als operierten sie aus den Nachbarländern. Die Internetseiten wirken oft professionell und vertrauenswürdig. In Wirklichkeit stecken dahinter aber oft illegale Organisationen, die gefälschte Arzneimittel aus fernen Ländern liefern. Arzneimitteln aus dem Internet sollte man nicht blindlings trauen. Ausserdem es gibt gewisse Merkmale, die eine Internetseite als unseriös entlarven (siehe unten).

Man sollte es sich also gut überlegen, ob die Bestellung im Internet das Risiko wert ist, oder ob man nicht doch lieber mit seinem Arzt oder Apotheker über sein Anliegen spricht.

Verdächtige Internetseiten

  • Internetseiten ohne vollständige Angaben der verantwortlichen Person oder Firma, zum Beispiel, wenn nur eine E-Mail-Adresse angegeben wird.
  • Internetseiten ohne glaubwürdige medizinische Fachperson.
  • Es werden schnelle oder sensationelle Ergebnisse garantiert, meist unterstützt von persönlichen Erfahrungsberichten.
  • Das Angebot umfasst Arzneimittel, die nicht in Schweizer Apotheken (oder in Apotheken im umliegenden Europa) bestellt werden können.
  • Die Behauptung, dass bei der Behandlung keine Risiken bestünden oder fehlende Angaben zu Nebenwirkungen.
  • Die Behauptung, dass das Medikament für alle Personen geeignet sei oder lebenslang ohne jedes Risiko eingesetzt werden könne.
  • Die Behauptung, dass allein dieses Arzneimittel eine Genesung bewirke.