In der Medizin wird zwischen unterschiedlichen Schweregraden des geistigen Abbaus unterschieden. Beispielsweise wird zwischen einem «Mild Cognitive Impairment» (MCI) und einer Demenz wie der Alzheimerkrankheit differenziert.
Beim MCI leiden Betroffene an Vergesslichkeit, können ihren Alltag jedoch weiterhin alleine meistern. Bei einer Demenz geht die Beeinträchtigung so weit, dass Betroffene ihre Selbstständigkeit verlieren. «Eine MCI kann, muss aber nicht in eine Demenz übergehen», erklärt Dr. med. Marion Reichert Hutzli, Chefärztin des PZM, Psychiatrisches Ambulatorium in Biel.
Die Probleme, die bei MCI auftreten, führen bei vielen Betroffenen dazu, dass sie sich relativ früh sozial zurückziehen. Dabei wäre es sehr wichtig, Kontakte zu pflegen, aktiv zu bleiben und unser Gehirn zu fordern. «Interessanterweise ist oft das Erste, was Angehörige beklagen, nicht die Vergesslichkeit, sondern die Antriebslosigkeit und Passivität ihres Angehörigen. Die Frau beklagt sich vielleicht, dass ihr Mann nichts mehr unternehmen mag und dass sie sich kaum noch unterhalten würden. Von ihm käme so gut wie kein Beitrag zum Gespräch», so Dr. Reichert Hutzli.
Die Scham und Frustration der Betroffenen können nicht selten in verbaler und tätlicher Aggression umschlagen. Viele MCI- und Demenz-Patienten leiden ausserdem zusätzlich an Depression, Schlafproblemen oder Reizbarkeit.
Zur Entstehung einer Demenz tragen verschiedene Faktoren bei. Die gute Nachricht ist: «Mehr als ein Drittel der äusserlichen Risikofaktoren sind modifizierbar», stellt Dr. Reichert Hutzli klar. Ein Beispiel ist die Bildung. Je höher die Bildung, desto grösser die geistige Kapazität, desto mehr Reserven stehen bei einem kognitiven Abfall zur Verfügung, bevor die Kompensationsmechanismen versagen.
Ein wichtiger, beeinflussbarer Faktor ist auch der Hörverlust. Wird der Hörverlust nicht behoben, wird das Gehirn weniger gefordert und das Risiko einer Demenzentwicklung steigt. Soziale Isolation, Depressionen und Rauchen erhöhen das Risiko ebenso. Auch häufige Vollnarkosen, schwere Erkrankungen und Schlaganfälle können den geistigen Abbau beschleunigen. Dem gegenüber stehen die sieben Lebensregeln (Simple7), die den kognitiven Abbau verlangsamen:
«Die Krankheit beginnt im Gehirn bereits 10–20 Jahre vor den ersten Symptomen. Wenn die Demenz mit 70 Jahren beginnt, sollten wir bereits mit 50, 60 Jahren intensiv gegensteuern,» mahnt Dr. Reichert Hutzli. Die heutigen verfügbaren Medikamente können erst in einem mittleren bis fortgeschritteneren Stadium eingesetzt werden. «Das einzige Mittel, dass man nach heutigem Stand bereits sehr früh einsetzen kann, sind Ginkgo-Präparate», erklärt Dr. Reichert Hutzli. «Sie zögern nicht nur das Krankheitsgeschehen hinaus, sondern bewirken tatsächlich auch eine leichte Verbesserung der Kognition.»