Eine neue Studie deckt einen interessanten Nebeneffekt des Diuretikums Spironolacton auf: Durch seinen Effekt auf ein neuronales Netzwerk in einem Suchtzentrum im Gehirn nimmt es Mäusen, Ratten und Menschen die Lust, weiterzutrinken.
Eine neue Studie deckt einen interessanten Nebeneffekt des Diuretikums Spironolacton auf: Durch seinen Effekt auf ein neuronales Netzwerk in einem Suchtzentrum im Gehirn nimmt es Mäusen, Ratten und Menschen die Lust, weiterzutrinken.
Das kaliumsparende Diuretikum Spironolacton wird in der Regel zur Behandlung von Herzinsuffizienz und Bluthochdruck eingesetzt. Nun konnten amerikanische Forscher Hinweise darauf sammeln, dass Spironolacton auch helfen könnte, bei Personen mit Alkoholabusus die Abstinenz aufrecht zu erhalten.
In der Studie, die Ende September im Journal Molecular Psychiatry veröffentlicht wurde, testeten die Forscher ihre Hypothese zunächst bei Nagetieren und stellten fest, dass Spironolacton die Anzeichen für eine Alkoholsucht in Nagermodellen. Dabei konnte Spironolacton die Alkoholaufnahme von Mäusen mit Binge-Drinking-ähnlichem Verhalten reduzieren. Ähnlich verhielt es sich bei alkoholabhängigen und nicht abhängigen Ratten.
Ausserdem untersuchten sie die Auswirkungen von Spironolacton auf das Trinkverhalten im Menschen im Zuge einer Kohortenstudie. Dazu zogen sie elektronische Gesundheitsakten von Personen im United States Veterans Affairs-Registers heran. Insgesamt untersuchten sie die Daten von 10.726 Veteranen, die sich aufgrund einer anderen Erkrankung mindestens 60 Tage lang ununterbrochen einer Spironolacton-Behandlung unterzogen hatten. Von ihnen waren im Register Angaben zum selbstberichteten Alkoholkonsum verfügbar (via Alcohol Use Disorders Identification Test-Consumption - AUDIT-C-Fragebogen).
Verglichen wurden diese Patienten mit einer zweiten – nach demografischen und medizinischen Faktoren angepassten – Kohorte bestehend aus 34.461 Patienten, die kein Spironolacton eingenommen hatten, aber von denen ebenfalls Angaben zu ihrem Alkoholkonsum in den zwei Jahren vor Studienbeginn vorhanden waren.
Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von rund 1,5 Jahren sanken die AUDIT-C-Scores in beiden Behandlungsgruppen – wobei die durchschnittlichen Scores in der Spironolacton-Kohorte im Durchschnitt um 0,17 Punkte mehr abnahm (mit Spironolacton: von 3,07 auf 2,16; ohne Spironolacton: von 2,96 auf 2,22; p<0,0001).
Noch stärker war dieser Effekt, wenn die Teilnehmer nach Alkoholkonsum bei Studieneinschluss stratifiziert wurden: Bei Personen, deren Alkoholkonsum dem höchsten Segment in der Gruppe entsprach (AUDIT-C ≥ 8 – entspricht einem riskanten bis schweren episodischen Konsum), nahm dieser am stärksten ab – in dieser Gruppe um durchschnittlich 0,47 Punkte (p<0.001).
Die Autoren vermuten, dass Spironolacton, ein Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist, die Mineralokortkcoid-Rezeptoren in der Amygdala angreift. Diese Rezeptoren sind im Gehirn und in anderen Organen zu finden und tragen zur Regulierung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts im Körper bei. Darüber hinaus ist aus Tierstudien bereits bekannt, dass eine erhöhte Aktivität der Mineralokortikoid-Rezeptoren in der Amygdala mit einem erhöhten Alkoholkonsum korreliert. Die Amygdala ist generell eine Schlüsselregion im Gehirn für die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Suchterkrankungen.
Die Entwicklung weiterer Medikamente zur Unterstützung des Alkoholentzugs wäre in der Tat dringend nötig. In der Schweiz sind gegenwärtig drei Wirkstoffe (Disulfiram, Acamprosat, und Naltrexon) zur Behandlung der Alkoholsucht zugelassen. Diese stellen zwar laut der Schweizerischen Gesellschaft stop-alcohol ein wirksames und wichtiges Hilfsmittel bei der Behandlung von Menschen mit dieser Erkrankung dar – Wunder dürfe man sich jedoch von ihnen nicht erhoffen.
Nun sind die Autoren der vorliegenden Studie zuversichtlich, dass mit Spironolacton ein weiterer wichtiger Wirkstoff das Arsenal an Pharmakotherapien erweitern könnte. „Die neuroendokrinen Systeme, die an Alkoholsucht und Alkoholkonsum beteiligt sind, wie die Mineralokortikoid-Rezeptoren, sind vielversprechende pharmakologische Ziele“, schreiben sie.
Spironolacton habe hiermit in drei unterschiedlichen Modellen gezeigt, dass es die Alkoholabstinenz günstig beeinflussen könne. Man darf also auf klinische Studien zu Spironolacton beim Alkoholabusus gespannt sein.